Die Lage in der Ukraine beschäftigt die Welt. Die Situation in der Zentralafrikanischen Republik ist jedoch nicht weniger Besorgnis erregend. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnt vor einem Genozid. In Nigeria esakliert die Situation gleichfalls, so dass Amnesty International schon von Kriegsverbrechen spricht. – Mehr dazu im neuen DAKS-Newsletter.
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DAKS-Newsletter April 2014
Libyen: UN-Bericht dokumentiert Waffenschmuggel
Libyen ist eines der wichtigsten Exportländer für illegale Waffen. Dies gilt trotz des existierenden Waffenembargos, das nicht nur den Import, sondern gleichermaßen auch den Export von Waffen von und nach Libyen untersagt. Das „Panel of Experts on Libya“ legte nun dem UN-Sicherheitsrat seinen Abschlussbericht vor und hat das Problem bei dieser Gelegenheit zwar nicht gelöst, aber beschrieben.
Das Problem, dass auch heute – mehr als zwei Jahre nach dem offiziellen Ende des Bürgerkriegs – die meisten im Land im Umlauf befindlichen Waffen noch immer von „nicht-staatlichen“ Akteuren besessen und benützt werden, beschreibt demnach nur eine Facette des Problemfelds. Dieser Aspekt allein wäre durch Bemühungen zur Demilitarisierung lösbar. Da jedoch einerseits Libyen und alle Staaten der Sahara-Region ihre Landesgrenzen nur schwer kontrollieren können, muss damit ein Großteil der libyschen Waffen als frei flukturierend verstanden werden. Und das dann eben nicht nur innerhalb Libyens, sondern transnational innerhalb einer Großregion. Und da andererseits die libyschen staatlichen Instituionen selbst illegal Waffen importieren und exportieren, scheint schlicht kein politischer Wille zu bestehen, an der aktuellen Situation etwas zu verändern.
Der Umfang des Waffenschmuggels scheint grundsätzlich sehr unterschiedlich. Während es an der libysch-tunesischen Grenze zu Schmuggelaktionen in eher kleinem Umfang zu kommen scheint, die sich durch das Stichwort „ant trade“ beschreiben lassen, scheinen die lybischen Südgrenzen von massivem Waffenschmuggel betroffen zu sein. Dies betrifft die Grenzen Libyens mit Algerien, Mali, Niger und Tschad, an denen jeweils Kleine und Leichte Waffen aller Art und in großem Umfang gehandelt zu werden scheinen.
Waffen aus Libyen konnten außerdem in verschiedenen afrikanischen Konfliktgebieten nachgewiesen werden, ohne dass immer ganz klar ist, wie sie dorthin gelangten. Libysche Kleinwaffen tauchten demnach in Liberia auf, aber auch in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo und in Somalia. All diese Exporte scheinen auf private, nicht-staatliche Ursprünge zurückzugehen, auch wenn nicht immer klar ist, welche Akteure im einzelnen hinter den Exporten stehen. Noch einmal anders verhält es sich jedoch mit Waffenexporten aus Libyen nach Syrien und über Ägypten in den Gaza-Streifen. In diesem Zusammenhang scheint eine staatliche Unterstützung mindestens möglich, wenn nicht wahrscheinlich. Was den Umfang dieser Exporte anbelangt, konnten die von den UN eingesetzten Experten keine belastbaren Informationen sammeln, sie verweisen jedoch auf den Abschuss eines ägyptischen Militärhubschraubers durch eine schultergestützte Boden-Luft-Rakete (eine so genannte MANPAD) auf der Sinai-Halbinsel am 25. Januar 2014. Da entsprechende Waffen libyscher Provenienz auch in Mali und Niger nachgewiesen werden konnten, scheint auch in diesem Fall eine Herkunft der Waffen aus Libyen naheliegend zu sein.
Bliebe ein dritter Aspekt des Waffenschmuggels, der ebenfalls durch den UN-Bericht thematisiert wird: Libyen selbst verfügt über keine funktionierende Rüstungsindustrie. Alle Waffen, die heute illegal gehandelt werden, wurden in den vergangenen Jahren legal produziert und legal nach Libyen verkauft. Die illegalen Waffen, die heute die Situation in den afrikanischen Konfliktgebieten rund um Libyen verschärfen, stammen mittelbar oder unmittelbar aus europäischer und russischer Produktion. Es sind Maschinengewehre von FN Herstal aus Belgien, Panzerabwehrraketen aus einer deutsch-französischen Rüstungskooperation, russische Boden-Luft-Raketen und Kleinwaffenmunition und Granaten aus dem ehemaligen Jugoslawien, die ihren Weg nach Libyen fanden und heute international gehandelt werden. An Endverbleibserklärungen, die das Regime Gaddafis eventuell abgegeben hat, fühlt sich dabei heute naturgemäß niemand mehr gebunden.
Zentralafrikanische Republik
Die EU hat eine Militärmission zur Sicherung des Flughafengeländes und des Botschafterviertels in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik beschlossen. In einigen Wochen oder auch Monaten sollen bis zu 1.000 Soldaten mit dieser Aufgabe betraut werden und dann auch zum Teil im Land selbst stationiert sein.
Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnt währenddessen vor Völkermord. Anlässlich eines Besuchs in Bangui rief er die politisch Verantwortlichen auf, sicherzustellen, dass in der Zentralafrikanischen Republik kein Völkermord wie vor 20 Jahren in Ruanda geschieht. – Die taz berichtete.
Der katholische Erzbischof von Bangui, Dieudonné Nzapalainga, war derweil gemeinsam mit muslimischen Würdenträgern nach Berlin gereist, um in Deutschland um eine größere Unterstützung für die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik zu bitten. In diesem Zusammenhang distanzierte er sich einmal mehr von der Ansicht, dass es sich bei dem Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik um einen religiösen Konflikt handelt. Er betonte stattdessen, dass es sich um einen politischen und wirtschaftlichen Konflikt handelt, der mit religiösen Argumenten legitimiert zu werden versucht. Dieser Deutung, so Dieudonné Nzapalainga, hätten christliche und muslimische Geistliche jedoch von Anfang an widersprochen, weshalb die Séléka-Miliz nicht für sich in Anspruch nehmen könne, „muslimisch“ zu sein, bzw. die Anti-Balaka Milizen nicht für sich in Anspruch nehmen können, „christlich“ zu sein. In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur erklärte er:
„Was diese Anti-Balaka angeht, so mögen sie sich als christlich bezeichnen, es sind aber keine christlichen Milizen, im Gegenteil, sie sind das genaue Gegenteil dessen, was das Leben des Christen, die Botschaft des Christen ausmacht, die ich auch vertrete. Und deswegen klage ich sie auch an und nenne das Ding ganz klar beim Namen. Sicherlich: Wenn ich in Gegenden komme, wo die Anti-Balaka die Macht haben, dann höre ich sehr wohl an, was sie zu sagen haben. Ich versuche, ihre Beschwerden zu verstehen. Wie kommt es eigentlich dazu, dass sie die Waffen ergriffen haben, dass sie töten? Dennoch sage ich dann immer ganz klar, was meine Meinung ist. Es steht geschrieben: Du sollst nicht töten. Gott wird von dir Rechenschaft über das Blut deines Bruders verlangen, so wie er es auch von Kain verlangt hat, der Abel getötet hatte, und wo Gott dann sagte: Wo ist dein Bruder? Der Zorn und der Hass, der Geist der Rache soll hier keinen Platz greifen.“
In weiteren Verlauf des Gesprächs formulierte Bischof Nzapalainga Vorschläge, wie sich die Europäische Union an einer Befriedung der Situation in der Zentralafrikanischen Republik beteiligen könnte. Er nannte drei Aspekte:
- Zum einen begrüßte er die Entscheidung, die Truppenpräsenz in der Zentralafrikanischen Republik zu erhöhen, und drückte seine Hoffnung aus, dass sich schnell Länder zur Bereitstellung von Soldaten und Material finden. Als Aufgabe dieser Militärmission nannte er die Entwaffnung aller in der Zentralafrikanischen Republik aktiven Milizen. Also der Séléka, der Anti-Balaka und der – vor allem im östlichen Landesteil an der Grenze zu Uganda immer noch aktiven – „Lord´s Resistance Army“ (LRA).
- Daneben gibt er zu verstehen, dass diese Bemühungen nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie durch humanitäre Hilfe ergänzt werden. Die staatlichen Institutionen in der Zentralafrikanischen Republik sind zerstört, das Land ist – so betrachtet – tatsächlich ein „failed state“. Nur wenn diese Institutionen wieder aufgebaut werden, kann staatliches Leben wieder stattfinden. Leben, durch das dann auch Entwicklungspolitik gelenkt werden kann.
- Als ein drittes Moment nennt er eine Art politische Begleitung des Prozesses der Staatswerdung durch die Europäische Union. Er wünscht sich, dass die Europäische Union auch dann noch ein Bewusstsein für die Nöte der Menschen in der Zentralafrikanischen Republik besitzt, wenn das Blutvergießen gestoppt und das Land endgültig wieder aus den Nachrichten verschwunden ist. Nur so könne die Situation nachhaltig befriedet werden.
Die Einschätzung Dieudonné Nzapalaingas wie auch seine Forderungen werden von Silvia Kuntz geteilt, die aus ihrer Erfahrung in der Zentralafrikanischen Republik für die Zeit einen Bericht über die Hintergründe der aktuellen Situation schrieb. Ihr Fazit:
„Das Wichtigste ist jetzt, Recht und Ordnung wiederherzustellen. Statt sich auf die Religion zu konzentrieren, sollte der Westen den Wiederaufbau des Staates handfest unterstützen. Dazu gehört es, der zentralafrikanischen Regierung finanziell zu helfen, damit sie überhaupt funktionieren und ein rudimentäres Polizei- und Justizsystem einsetzen kann, das Kriminelle verhaften, verurteilen und wegsperren kann. Internationale Truppen müssen sofort mit Polizeikräften verstärkt werden.“
Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Friedensvisionen tatsächlich verwirklichen werden!
Nigeria: Kriegsverbrechen mit deutschen Waffen?
Nicht etwa Südafrika, sondern Nigeria ist das Land mit dem größten Bruttoinlandsprodukt in Afrika. Mehr als 170 Millionen Menschen leben dort. Und es gibt sehr viel Öl, das die Wirtschaft beflügelt. Gleichzeitig ist die Sicherheitssituation schwierig. Seit 2009 macht die muslimische Sekte Boko-Haram durch Terrorakte von sich reden. Seit 2012 eskaliert die Situation mehr und mehr. In einem nun veröffentlichten Bericht über die Situation im Nord-Osten von Nigeria analysiert Amnesty International die Situation. Verschiedene Aussagen sind bemerkenswert und besorgniserregend.
Zum einen Beschreibt Amnesty International die Situation als einen „nicht-internationalen bewaffneten Konflikt“. Soll heißen, Amnesty International betrachtet die Situation als kriegsähnlich. Begründet wird diese Einschätzung durch den Umfang der Kämpfe und durch das militärisch-organisierte Auftreten der Kämpfer von Boko-Haram, die den ebenfalls militärisch-organisierten Sicherheitskräften bzw. der nigerianischen Armee gegenüber stehen. Allein in den ersten drei Monaten des Jahres 2014 sei es demnach zu 52 bewaffneten Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf 1500 Menschen getötet worden seien. Die Folgen dieser Einschätzung sind zunächst vor allem juristischer Natur und werden von Amnesty International auch dementsprechend aufgeführt: In einem solchen Konflikt gilt das humanitäre Kriegsvölkerrecht. Verstöße gegen die Prinzipien und Vorschriften dieses Rechts sind Kriegsverbrechen. Da Nigeria das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) ratifiziert hat, ist der ICC für Verstöße gegen das humanitäre Kriegsvölkerrecht, die auf dem Staatsgebiet Nigerias begangen werden, zuständig. Und: Die Staatsanwaltschaft des ICC hat Vorermittlungen aufgenommen.
Nun wirft Amnesty International aber nicht nur der Boko-Haram vor, Kriegsverbrechen zu begehen. Der gleiche Vorwurf wird auch gegen nigerianische Sicherheitskräfte und die nigerianische Armee erhoben. Dies betrifft vor allem eine Militär-Operation, in deren Verlauf am 14. März 2014 mindestens 622 Menschen getötet worden sein sollen. Durch die Analyse von Satelliten-Bildern ist es Amnesty International möglich, den wahrscheinlichen Ort von Massengräbern zu benennen, in denen die Opfer verscharrt worden sind.
Die Situation ist insofern schwierig, als Nigeria natürlich ein Kunde der deutschen Rüstungsindustrie ist. Ein Umstand, der an sich schon problematisch ist, gilt Nigeria doch – trotz seiner im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten großen Volkswirtschaft – nach wie vor als Entwicklungsland.
Jahr | Wert(in Mio. Euro) | |
2012 | Geländewagen mit Sonderschutz | 5,95 |
2011 | Geländewagen mit SonderschutzWärmebildkameras | 8,6 |
2010 | Geländewagen mit Sonderschutz | 2,81 |
2009 | Geländewagen mit SonderschutzKommunikationsausrüstung | 1,83 |
2008 | Geländewagen mit Sonderschutz | 5,38 |
2007 | Geländewagen mit Sonderschutz | 4,29 |
2006 | Geländewagen mit Sonderschutz | 2,43 |
2005 | Geländewagen mit Sonderschutz | 1,97 |
2004 | Teile für TrainingsflugzeugeGeländewagen mit Sonderschutz | 6,17 |
2003 | Geländewagen mit SonderschutzTeile für Transportflugzeug | 3,36 |
2002 | Geländewagen mit Sonderschutz | 1,68 |
2001 | Teile für Transportflugzeug | 3 |
Sollte es jedoch zutreffen, dass die nigerianischen Sicherheitskräfte Kriegsverbrechen im Sinne des humanitären Völkerrechts begehen, dann verlieren diese Exporte endgültige ihre Legitimität.
Bundeswehr mit ethischen Problemen – gewollte Überschreitungen
Joachim Schramm informiert in der DFG-VK-Zeitschrift Zivilcourage darüber, dass die Bundeswehr Kindersoldaten rekrutiert. Der Artikel weist auf die vielfältigen Werbeaktivitäten von Jugendoffizieren in Schulen (!), auf Informationsstände auf Messen und Angebote wie angebliche „Abenteuercamps“ hin. Berichtet wird auch über Proteste der Bochumer Friedensbewegung gegen den Stand, den Bundeswehrsoldaten letztes Jahr bei einer Berufsmesse aufgebaut hatten. Eine Anfrage der Partei DIE LINKE ergab, dass bei der Bundeswehr Minderjährige an der Waffe ausgebildet wurden. All dies geschieht, obwohl die Bundesregierung 2004 die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet hat und sich ihrer internationalen Beispielrolle bewusst sein muss. Dementsprechend wirft das Deutsche Bündnis Kindersoldaten der Regierung in seinem Schattenbericht 2013 vor, die Rechte dieser Kinder nicht zu schützen. Die zuständige Ministerin Ursula von der Leyen tut so, als sei ihr die Konvention nicht bekannt oder schlicht egal. Ein gewollter Übertritt.
Informationen zum Thema Bundeswehr und Schule gibt es auch bei der Friedenskooperative.
Beachtenswert ist ebenfalls der Brief der terre des hommes-Arbeitsgruppe Schwäbisch Gmünd, in dem an die Vorsitzenden der Regierungsparteien appelliert wird, dass Waffenexporte gestoppt werden müssen, speziell im Bereich Kleinwaffen und hier noch einmal speziell die unkontrollierbaren Lizenzausgaben.
Doch die Bundesregierung genehmigt und fördert nicht nur die Exporte der deutschen Waffenfirmen (und der internationalen Kooperationen), sie betreibt über die Bundeswehr auch selbst Waffenhandel. Darüber berichtete im letzten Oktober Christoph Rasch in der NDR-Sendereihe „Streitkräfte und Strategien“. An und für sich ist dies keine neue Nachricht, doch angesichts der Ignoranz der deutschen Regierung muss auf diese absichtliche Anfeuerung von Konflikten und Krisen hingewiesen werden. Ein Beispiel aus dem Bereich Kleinwaffen ist die weiterhin nicht aufgearbeitete Veräußerung von ehemaligen NVA-Gewehren in den 1990er Jahren. Nur ein Kavaliersdelikt? Das sehen die – man muss sagen „dazugehörigen“ – Schusswaffenopfer dieser Waffen anders. Politische Folgen hierzulande werden diese Deals leider nicht mehr haben, auch wenn der Bundesregierung damals klar gewesen sein muss, dass etwa die Türkei diese Kalaschnikow-Gewehre im Krieg einsetzen wird. Doch die aktuelle deutsche Regierung behandelt ja nicht einmal ihre eigenen Jugendlichen und Kinder ethisch korrekt und wie sie es zugesagt hat.
„Spielfilme“ zu Afghanistan
Über den früheren Oberst, heutigen General Georg Klein gab es ja schon miserable Fernsehfilme. Nun hat Feo Aladag, eine österreichische Regisseurin („Die Fremde“), einen weiteren Schmalzstreifen über das ach so harte Soldatensein und die guten Bundeswehrsoldaten abgesondert: „Zwischen Welten“. (Der Spiegel berichtete.) Story: netter Soldat im Gewissenskonflikt will Übersetzer und dessen Schwester vor dem Bösen retten (hier die „Taliban“), aber Härte des Kampfes und das Ding, ach ja Schicksal, kommen dazwischen. Tragisch? Sehenswert?
Nein. Denn Kriegspolitik ist gewollt und wird gemacht, von Regierungen, Firmen, Soldaten verschiedener Ränge, Kriegsgewalt ist kein natürliches Ereignis und kein Schicksal. Dass streng durchgezogene Dienstvorschriften dem Protagonisten das Leben schwer machen, kommt höchstens bei Bundeswehrsöldnern gut an, an sich müsste doch die Frage angegangen werden, was die Bundeswehr in diesem Teil der Welt sucht und was sie in diesem Krieg verbricht. Stattdessen gibt es Herz-Schmerz-Kino und das ist im Ergebnis ebenso platt wie „Auslandseinsatz“ mit Max Riemelt und Hanno Kofler: Zum Abschalten oder Aus-dem-Kino-gehen.
(Einzig positiver Aspekt: Die Frage, warum Menschen aus dem Afghanistan-Krieg nicht nach Deutschland fliehen dürfen und dort sicheres Asyl finden, wird zumindest gestellt.)
Ein Film des Regisseurs Peter Berg verkauft uns „eine wahre Begebenheit“ (einzige Quelle: ein beteiligter US-Soldat), nämlich den „heldenhaften“ und pflichtbewussten Untergang einer US-Spezialeinheit im Gefecht mit Taliban-Kämpfern. Hollywood vom Feinsten: Let´s die for the man next to you. Dieser Filmemacher hat Streifen wie „The Kingdom“ und „Battleship“ gedreht. Dieses Mal ist Mark Wahlberg einer der Protagonisten, auch Eric Bana darf dabei sein. „Lone Survivor“ wird sicherlich ein Renner. Bei Spiegel Online gibt es einen theatralischen Trailer. Aber über den Krieg und das Leben der Menschen erzählt er ungefähr so viel wie Rambos Einsamer-Wolf-Action-Unsinn in den Bergen von British Columbia über die Probleme der Menschen im Kriegsgebiet Vietnams und in den umgebenden Ländern.
Alternativvorschlag: „Armadillo“ vom dänischen Regisseur Janus Metz Pedersen oder „Restrepo“ von Sebastian Junger und Tim Hetherington. Oder auch der Kurzzfilm „Buzkashi Boys“ von Ariel Nasr und Sam French.
Melilla, Ceuta, Sizilien, Polen … Europas Festungsgrenze
Die Zeitung El País berichtet über erneute Versuche mehrerer hundert Menschen, über die Grenzzäune in Melilla nach Spanien und damit in die Europäische Union zu gelangen. Immer wieder tauchen Videos von solchen Aktionen in den Nachrichtensendungen des Fernsehens und auch im Internet auf. Doch es ist leider sehr zu vermuten, dass nicht alle Gewalttaten, die von marokkanischen und spanischen Polizisten und Militärs begangen werden, ans Licht kommen. (Über Frontex sind auch deutsche Polizisten theoretisch an solchen Einsätzen beteiligt.) Auch Spiegel Online berichtete.
El País berichtet auch über den weiterhin unaufgeklärten Tod zweier junger Spanier in den Gewässern nahe Melilla: Die beiden Männer waren von marokkanischen Sicherheitskräften wahrscheinlich des Drogenhandels verdächtigt und in ihrem Boot erschossen worden. Diese Gewalthandlung wirft ein Licht auf die in der Region mögliche und übliche Tötungsbereitschaft.
Was die Angriffe auf Flüchtlinge betrifft: Es muss immer wieder dazugesagt werden, dass die Situation in Melilla, Ceuta und anderen europäischen See- oder Landgrenzen nur so lebensgefährlich ist, weil es für die Menschen keinen normalen Weg nach Europa gibt. Die EU-Regierungen (und assoziierte Länder wie etwa die Schweiz) produzieren die Toten und sind für die Opfer verantwortlich, nicht die MigrantInnen!
Währenddessen bringt Der Spiegel einen Artikel, in dem von einem Vorfall in der Nähe von Sizilien berichtet wird. Dort sollen Soldaten einer italienischen Fregatte mit automatischen Waffen auf ein Flüchtlingsboot geschossen haben. Angeblich sei dies geschehen, um das Boot zu stoppen und die Menschen darauf vor dem Ertrinken zu retten. An Bord einer Fregatte, auch bei der hier eingesetzten „Aliseo“, sind auch großkalibrige Geschütze. Entspricht es den menschenrechtlichen Bestimmungen der EU, Flüchtlinge mit Militärwaffen zu bedrohen oder sie gar damit zu beschießen?
Meist unbeachtet ist derweil die EU-Ostgrenze, die in Polen und anderen osteuropäischen Ländern ausgebaut wurde. Nicht erst seit der Krise auf der Krim und in der Ukraine, aber sicherlich in der Folge dieser Ereignisse wird sich hier die Gefahr von systematischen Menschenrechtsbrüchen erhöhen. Ein Monitoring ist dringend nötig!
Kleinwaffen in Russland und der Ukraine
Dass es in der Ukraine zu einem bewaffneten Konflikt oder einem Krieg kommen wird, ist weiterhin eine Befürchtung. Doch es gibt, wie immer, wenn Armeen sich gegenseitig bekämpfen werden, Nutznießer dieser Situationen: die Waffenhändler. Denn selbst wenn dieser Konflikt ohne den Einsatz westlicher Armeen ablaufen sollte (abgesehen von möglichen Einsätzen von Sondereinheiten), Kriegsmaterial aus westlichen Staaten wird mit Sicherheit verwendet werden – spätestens, wenn es zu einer Zunahme von offenen oder verdeckten Waffenlieferungen an die ukrainischen Truppen oder deren Verbündete kommen wird. Darunter werden auch Kleinwaffen aus deutscher Produktion sein, da darf man sich nichts vormachen.
Schon durch die Lektüre von Waffenfanatiker-Internetseiten lässt sich beispielsweise annehmen, dass ukrainische ISAF-Soldaten G36-Gewehre benutzen. Bei anderen Kooperationen der Ukraine mit NATO- und EU-Staaten wird es weitere Möglichkeiten gegeben haben, mit „westlichen“ Waffen, etwa von HK, in Kontakt zu kommen. Und das G36 ist nur eine der Waffen, die sich hier anbieten, denn Granatwerfer, Maschinengewehre und Pistolen spielen für ein (Bürgerkriegs-)Szenario, das in den Planungen der Militärs beider Seiten sicherlich enthalten ist, eine Rolle.
Die Bundesregierung gibt in ihrem Rüstungsexportbericht für das Jahr 2012 lediglich an, dass unter anderem Jagdgewehre, Sportgewehre, Selbstladebüchsen und Waffenzielgeräte sowie Munition für Gewehre für insgesamt fünf Millionen Euro an die Ukraine geliefert wurden. Für die Vorjahre wurden ähnliche Informationen in die Berichte geschrieben. Ob diese Exporte auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitergehen, ist nicht bekannt. (Das erfahren wir dann im Nachhinein… da mag ein halbjährlicher Bericht kommen oder nicht, dies entspricht nicht den Grundsätzen einer Demokratie, in der das Parlament und damit auch die Bevölkerung informiert werden muss.) Rheinmetall muss, so will es die Imagepflege von Sigmar Gabriel, seinen Export eines Truppenübungsplatzes erstmal auf Eis legen, mit Betonung auf „erstmal“. Ob auch die Ukraine von diesen Wartepolitik betroffen ist? Das weiß sicher der Bundessicherheitsrat, und nur der.
Inwieweit russische Militärangehörige mit HK-Waffen vertraut sind, ist zwar nicht sicher, hier setzt man wohl vor allem auf „heimische“ Waffen. Möglich ist auch, dass es bei nationalen Militärkooperationen von NATO-Staaten und russischer Armee auch Geschäftskontakte bezüglich der Waffenausrüstung gegeben hat. Generell muss leider angenommen werden, dass HK-Waffen schnell adaptiert werden können. Beutewaffen etwa ließen sich übernehmen, wie in Libyen geschehen. Das AK47 (noch im „großen“ Kaliber 7,62 x 39 mm) und das moderne AK74 (im „kleineren“ Kaliber 5,45 x 39 mm) sind zu weitverbreitet, um Nachschubprobleme entstehen zu lassen. Auch die Munition des „Vepr“, einer ukrainischen Bullpup-Entwicklung, verschießt das neue russische Standardkaliber. (Wie die Ausbildung am AK74 aussehen kann, zeigt ein Video im Internet, das – sensationsheischend – auf die scheinbare Selbstverständlichkeit von Schule und Waffengebrauch hinweist.) Und ebenso wichtig wie die Waffen ist die Munition: Doch wer kann die Transferwege für Munition in die Region Ukraine oder nach Russland kontrollieren? Solange diese Wege offen sind, kann auch geschossen werden, wie beispielsweise der Krieg in Syrien zeigt. – Hier kommt verschärfend hinzu, dass viele der NATO-Waffen wie M16, G36, HK416 und SA80 Patronen mit dem gleichen Kaliber verschießen, 5,56 x 45 mm NATO, und dass also die Munition für die Waffentypen verschiedener Firmen (Colt, HK, BAE Systems u. v. m.) verwendbar ist.
Wenn derzeit nicht klar ist, wie sich die Parteien verhalten und ob es zu einem Krieg kommt, ist eines sicher: Ein „Waffengang“ bringt Waffenhändlern immer gute Geschäfte, neue Kunden und Profit. Dies könnte die Aggressionsbereitschaft von Staaten durchaus beeinflussen, hin zu einer Kriegsbeteiligung (man kann ja bei sowas, aus Sicht der Kriegskonzerne, auch gut mal wieder lange nicht benutzte Waffen testen… wie etwa beim Krieg zweier hochgerüsteter Armeen um die Falklandinseln / Malvinas 1982). Hier helfen keine Embargos und keine „moralischen“ Friedens-Appelle der Regierungen. Eine Lösung muss sein, die deutschen Waffenfirmen zu schließen, damit diese nicht von dieser Republik aus (oder etwa über die Umweg USA, Spanien und Saudi-Arabien) an Waffenlieferungen und damit am Leid von Menschen verdienen können. Doch die Merkel-Regierung interessiert sich nicht für die Opfer ihrer Kleinwaffen-Verbreitung. Das ist weder sozial, noch demokratisch, noch christlich. Das ist gute deutsche Tradition.
Hauke Friederichs berichtet für die ZEIT über eine aktuelle Anfrage von Jan van Aken und anderen Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke: Demnach sollen weiter Exporte von Schusswaffen an Russland laufen. Ein Skandal! (Zum Thema Rüstungsexporte nach Russland gibt es auch eine Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen.)
Auch interessant: Eine IMI-Studie zur „Machtgeometrie“ in der Region Ukraine / Russland. Und: Das BITS hat mehrere Beiträge ins Netz gestellt, die sich u. a. mit dem Verhalten der NATO gegenüber Russland, verbaler Eskalationskontrolle, dem Konzept der Schutzverantwortung und mit dem Kriegsplan GIANT EAGLE befassen.