Heckler & Koch wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Damit stellt sich die Frage, ob der Kleinwaffenhersteller damit in Zukunft noch mehr dem Share Holder Value verpflichtet sein wird als bisher? Die durch eine schiftliche Fragen des Bundestagsabgeordneten Jan van Aken (MdB, DIE LINKE) bekannt gewordenen Zahlen zur Genehmigung von Rüstungsexporten im Jahr 2014, bzw. zur Genehmigung von Kleinwaffen-Exporten im Jahr 2013 lassen jedenfalls nichts Gutes ahnen. – Zu beiden Themen mehr im neuen Newsletter!
Und was ist sonst noch passiert? – Fußball! Dass dabei nicht nur mit Bällen geschossen wird versteht sich von selbst. Die Hintergründe beschreibt Jürgen Grässlin in einem Gastbeitrag.
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DAKS-Newsletter Mai 2014
Heckler & Koch: Finanzen
Auf den ersten Blick hat sich wenig an der Finanzsituation von Heckler & Koch geändert. Noch immer drücken die Schulden. Noch immer sind die Zinsen hoch, die auf die gewährten Kredite gezahlt werden müssen. Ist es unter diesen Umständen noch wichtig, dass sich Heckler & Koch nun in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hat? Ja und nein.
Nein, denn an der Situation des Unternehmens hat sich durch die Umwandlung zunächst nichts verändert. Der Grund ist einfach: Da kein Börsengang stattgefunden hat und ein solcher derzeit auch nicht geplant ist, wurden dem Unternehmen durch die Umwandlung keine finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Die grundsätzliche Unterfinanzierung von Heckler & Koch bleibt also bestehen.
Ja, denn durch diesen Schritt könnte das Unternehmen künftig leichter an Geld gelangen. Und das auch ohne Börsengang. Die eleganteste Lösung für die finanziellen Probleme des Kleinwaffenherstellers wäre es nämlich die bestehenden Schulden nicht in Form von Bargeld, sondern in Form von Aktien zurückzuzahlen. Auf diese Weise könnten die Schulden sehr rasch abgebaut werden, ohne dass – wie im Fall eines Börsengangs – kritischen Aktionären eine Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschäftspolitik eingeräumt werden müsste. In Folge einer solchen Aktion würden die jetzigen Schuldner jedoch ihre Einflussmöglichkeiten noch weiter ausbauen bzw. legalisieren und festschreiben. Da weder ihre Identität, noch ihre Rolle auf die bisherige Unternehmenspolitik geklärt ist, scheint eine solche Lösung jedoch alles andere als befriedigend. Die Situation wird dadurch weiter verkompliziert, dass die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Gesetzgebers in diesem Fall äußerst beschränkt sind. All dies macht die Meldung, dass Heckler & Koch in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden ist, dann jedoch tatsächlich zu einer Nachricht, die nicht vergessen werden sollte!
Deutsche Rüstungsexporte im Jahr 2014: Trendwende ins Negative
Manchmal sind es die einfachen Fragen, die alle Leute in Verwirrung stürzen. Ein Beispiel für diesen Umstand lieferte Jan van Aken (MdB, DIE LINKE), der eine schriftliche Frage an die Bundesregierung richtete, mit der Bitte, ihm den Gesamtwert der seit dem 1. Januar 2014 genehmigten Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter zu benennen. Staatssekretär Stefan Kapferer scheint diese Frage in eine tiefe Krise gestürzt zu haben, denn bevor er sie beantwortet, gibt er zunächst zu bedenken, dass die im Jahr 2014 getätigten Ausfuhren (!) von Rüstungsgütern vorrangig auf Rüstungsexportgenehmigungen basieren, die in der Vergangenheit erteilt worden sind. Er hat damit Recht. Andererseits hat ihn niemand nach den Ausfuhren im Jahr 2014 gefragt – und auf den Wert der im bisherigen Kalenderjahr ausgeführten Waffen kommt er auch an keiner Stelle wieder zu sprechen. Was seine Verwirrung ausgelöst haben könnte, wird deutlich, wenn man sich die von ihm zusammengetragenen Zahlen dann näher anschaut.
Demnach ist der Gesamtwert der erteilten Ausfuhrgenehmigungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stark rückläufig. Während in den ersten vier Monaten des Jahres 2013 der Export von Waffen im Wert von über 1,5 Milliarden Euro genehmigt wurde, wurden in den ersten vier Monten des Jahres 2014 nur Genehmigungen für den Export von Waffen im Wert von 1,2 Milliarden Euro erteilt. Ein Minus von immerhin mehr als 356 Millionen Euro. Wenn dies kein Grund zur Freude ist, so liegt dies an der Verteilung der Ausfuhren auf die jeweiligen Ländergruppen. Bisher, also im Jahr 2013, war es so, dass die Mehrheit der deutschen Rüstungsexporte an Partnerländer Deutschlands ging. Hierunter fallen sowohl die Mitgliedsstaaten der EU als auch die Mitgliedsstaaten der NATO bwz. der NATO-gleichgestellten Länder und insgesamt wurden in diesem Zeitraum Exporte im Wert von gut einer Milliarde Euro an diese Länder genehmigt. Das entspricht einem Anteil von 66% am Gesamtwert der Rüstungsexporte. Auf die Gruppe der Drittländer entfielen dagegen „nur“ 33,96% der Gesamtexporte, was jedoch immer noch einen Wert von mehr als 520 Millionen Euro darstellt.
Im Jahr 2014 nun scheint es, als hätten sich die bisherigen Gewichte dramatisch verschoben. Zwar ist der Gesamtwert der genehmigten Exporte gesunken, aber die Hauptabnehmer deutscher Rüstungsexporte sind nicht mehr befreundete Staaten, sondern Drittländer. Auf sie entfallen jetzt 55,16% der Exportgenehmigungen. Und: Diese Steigerung gilt nicht nur in relativen, sondern auch in absoluten Zahlen, denn während in den ersten Monaten des Jahres 2013 Rüstungsexporte im Wert von gut 520 Millionen Euro an Drittländer genehmigt wurden, sind es in den entsprechenden Monaten des Jahres 2014 Waffen im Wert von knapp 650 Millionen Euro gewesen. Unter diesen Umständen ist die Verwirrung von Staatssekretär Kapferer sehr gut nachzuvollziehen. Denn tatsächlich: Da ist etwas schief gelaufen.
Das Problem ist, dass dieser Trend schon im Jahr 2013 begonnen zu haben scheint. Bereits im Februar 2014 richtete Jan van Aken eine schriftliche Frage an die Bundesregierung, mit der Bitte, ihm den Wert der Kleinwaffen-Exporte des Jahres 2013, aufgeschlüsselt nach Ländergruppen, mitzuteilen. Die Antwort dokumentiert nicht nur, dass im vergangenen Jahr der Export von Kleinwaffen im Wert von 66 Millionen Euro genehmigt wurde, sondern, dass 56,66% des Gesamtwertes dieser Exportgenehmigungen auf die Ländergruppe der so genannten Drittländer entfielen. Tatsächlich, das ist ein Skandal. Doch wenn Sigmar Gabriel nun erklärt, wie etwa die FAZ berichtete, er wolle den Rüstungsexport einschränken, so muss ihm auch gesagt werden, dass er selbst in den vergangenen Monaten nichts getan hat, sondern die gerade beschriebene Situation auch durch sein Tun erst herbeigeführt hat.
Griechenland: Panzer-Export und SPD
Durch die Euro-Krise sind die deutsch-griechischen Rüstungsgeschäfte in die Kritik geraten. Ob U-Boote, ob Panzer, wenn das Sozialsystem eines Landes vor dem Kollaps steht, dann scheint es plötzlich obszön, Steuermittel für Waffen statt für Renten auszugeben. Griechische Politiker, die entsprechende Geschäfte genehmigten, wurden zur Zielscheibe von Kritik – gerade auch von Seiten der deutschen euro-skeptischen Öffentlichkeit. Und jetzt? Berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Griechenland-Geschäfte von Krauss-Maffei Wegmann herausgekommen ist, dass Dagmar Luuk und Heinz-Alfred Steiner in den 1990er Jahren nicht nur als Griechenland-ExpertInnen der SPD in der Politik waren, sondern auch Beraterverträge mit KMW über insgesamt wohl fünf Millionen Euro wahrnahmen. Eine Stellungnahme von Luuk oder Steiner ist bisher nicht erfolgt. Alles in allem scheint es aber, dass Deutschland und Griechenland mehr verbindet als nur der Euro. Fast scheint es, als gäbe es eine gemeinsame politische Kultur.
Kriegswaffen für Brasiliens „Sicherheit“
von Jürgen Grässlin
G36-Scharfschützen in Rocinha
Der Einsatz von Kleinwaffen – gemeint sind Pistolen, Maschinenpistolen oder Sturmgewehre – bei Menschenrechtsverletzungen in Brasilien hat Tradition. Leider auch der Einsatz deutscher Kleinwaffen. Unvergessen ist die Niederschlagung eines Aufstandes im Carandiru-Gefängnis in São Paulo. Am 2. Oktober 1992 kam es im „Pavillon 9“ zu Streitigkeiten unter den Häftlingen. Eine Einheit der Militärpolizei stürmte daraufhin das Gebäude mit Waffengewalt, obwohl zahlreiche Gefangene ihre friedliche Absicht mit weißen Tüchern kundtaten und keinerlei Widerstand leisteten. Die brasilianischen Militärpolizisten töteten 111 Gefangene – laut Zeugenaussagen wurden die meisten mit Schusswaffen hingerichtet. Andere wurden wohl von Mithäftlingen erstochen. Die Militärpolizisten waren mit Maschinenpistolen des Typs MP5 von Heckler & Koch (H&K) bewaffnet gewesen. Mit Hilfe der Seriennummern konnte die deutsche Sektion von Amnesty International nachweisen, dass die Waffen von Deutschland nach Brasilien exportiert worden waren.
Neun Jahre später erreichten Menschenrechtsaktivisten endlich, dass der damalige Einsatzleiter wegen der Ermordung der Gefangenen und des Mordversuchs an weiteren zur Rechenschaft gezogen wurde. Ein Gericht verurteilte Ubiratan Guimarães erst einmal zu 632 Jahren Haft. Makaberer Kommentar des Verurteilten: Immerhin hätten mehr als 2000 überlebt.
Bis zum heutigen Tag hat Amnesty International vielfach nachgewiesen, dass vor allem brasilianische Militärpolizei immer wieder in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt war. So führten Militärpolizisten Zwangsräumungen bei Landkonflikten durch, wobei sie mit exzessiver Gewalt vorgingen, Menschen misshandelten und folterten und Morde verübten.
Dass in dieses Land keine Kleinwaffen exportiert werden dürfen, sollte sich von selbst verstehen. Leider ist das Gegenteil der Fall. Aus Jane’s Infantry Weapons geht hervor, dass Brasilien bis heute ein äußerst lukrativer Markt für Kleinwaffenexporteure ist: Neben der Maschinenpistole 9 mm MPK der in Arnsberg und Ulm ansässigen Carl Walther GmbH befindet sich die für den Nahkampf bestens geeignete MP5 von Heckler & Koch im Einsatz. Zudem wird mit zwei weiteren Gewehrtypen der Oberndorfer Waffenschmiede geschossen: der 5.56 mm HK33E und dem Scharfschützengewehr 7.62 mm H&K SG1.
Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung belegen über lange Jahre hinweg die Exportgenehmigungen für Abertausende von Maschinenpistolen, für Gewehre mit Nummern der Kriegswaffenliste (KWL) und für Maschinengewehre bzw. deren jeweilige Bestandteile. Damit mit diesen Waffen auch geschossen werden kann, bewilligte der Bund auch den Transfer der benötigten Gewehrmunition. Allein im Jahr 2010 beispielsweise 200.000 Stück, in den Jahren danach folgten weitere Abertausende.
Deutsche Kleinwaffen sind heute in Brasiliens Straßen allgegenwärtig, vor allem in den Favelas, wo die Ärmsten der Armen ihr Dasein fristen. Im November 2011 durchkämmten bewaffnete Polizeieinheiten mehrere Armenviertel mit deutschen G36-, belgischen FN- und russischen Kalaschnikow-Gewehren im Anschlag. Rund 3.000 Marinesoldaten und Polizisten drangen mit Hubschraubern und gepanzerten Kettenfahrzeugen in drei der Favelas vor, offiziell um Drogendealern das Handwerk zu legen. Was sich mit G36-Gewehren in Rocinha, dem größten Slum der zwölf Millionen Menschen beherbergenden Agglomeration, tatsächlich ausrichten lässt, sei dahingestellt. Scharfschützengewehre sind jedenfalls denkbar ungeeignet für die engen Gassen der Armenviertel. Entsprechend dürftig fiel der Erfolg aus: Ein Dealer wurde verhaftet, ein paar Kleinwaffen und eine Handgranate wurden sichergestellt.
Klar ist, dass der brasilianische Staat im Vorfeld der am 12. Juni mit dem Eröffnungsspiel Brasilien gegen Kroatien beginnenden zwanzigsten Fußballweltmeisterschaft und den zwei Jahre danach folgenden Olympischen Sommerspielen Flagge zeigt. Dabei soll es nicht nur den Drogenbaronen an den Kragen gehen, auch die Favelas als solche sollen zumindest teilweise geräumt werden. Wenn die Sportler und mit ihnen Abertausende von Fans und Touristen das fünfgrößte Land der Erde besuchen, soll wenigstens alles sauber herausgeputzt sein. Die Problematik von Armut und Gewalt soll der globalen Sportgemeinde vorenthalten bleiben.
Um dieses Ziel zu erreichen wurden in den vergangenen Jahren massiv Kriegswaffen nach Brasilien importiert – was nicht hätte sein sollen. Seit Jahren schon warnt die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) vor Waffengeschäften mit Brasilien. Die dortige Menschenrechtssituation sei „sehr schlecht“, teilweise bestünde die Gefahr interner Gewaltkonflikte. Brasilien zähle, so die GKKE, zu den als „kritisch“ einzustufenden Empfängerländern auch deutscher Waffen. Besonders lukrativ ist dabei das Geschäft der Großwaffensysteme von Militärhelikoptern bis hin zur Kampfwertsteigerung von Panzern.
Brasiliens beachtlicher Aufstieg als Weltwaffenimporteur
Attraktiv ist Brasilien als zahlungskräftiger Waffenkäufer für die Rüstungsindustrie zahlreicher Staaten. So bestellte das brasilianische Militär Großwaffensysteme in Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Italien, Kanada, Norwegen, Russland, der Schweiz und den USA, wobei die Waffen teilweise in Lizenz direkt im Land [in Brasilien] gefertigt wurden. Dies ergaben die Recherchen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI für die Jahre 2010 bis 2012.
Die zahlreichen Rüstungseinkäufe der vergangenen fünf Jahre katapultierten Brasilien im SIPRI-Ranking der weltweiten Waffenempfänger in die Top 20. Hatte das südamerikanische Land in den Jahren 2002 bis 2006 noch auf Platz 32 gelegen, so sprang das wirtschaftsstarke Schwellenland mit dem Einkauf von Kriegswaffen im Wert von 393 Millionen TIV (bemessen nach den SIPRI-trend-indicator values) innerhalb nur eines halben Jahrzehnts um zwölf Plätze auf Platz 20 nach oben – mehr als jedes davor rangierende Land.
Längst haben zahlreiche deutsche Unternehmen den brasilianischen Waffenmarkt fest im Visier. Die Trendwende geht auf das Jahr 2009 zurück, als das Land zwischenzeitlich sogar auf Rang 11 der Empfängerländer deutscher Waffen katapultiert wurde.
Brasilien, das weder zu den NATO-Ländern noch EU-Mitgliedstaaten oder NATO-gleichgestellten Ländern (wie Australien, Neuseeland, Japan und die Schweiz) zählt, ist rechtlich als „sonstiges Land“ klassifiziert. In diese Staaten wird der Export von Kriegswaffen „nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen“. So die bis heute gültigen Politischen Grundsätze der Bundesregierung vom Januar 2000, die eine restriktive Rüstungsexportpolitik propagieren.
Wie die Exportvorgabe „restriktiv“ in der politischen Praxis interpretiert wird, bewies die von Kanzlerin Angela Merkel geführte christlich-liberale Bundesregierung nachdrücklich auch im Fall Brasiliens. Im Zeitraum von 2009 bis 2012 wurden beachtliche 220 Kampfpanzer des Typs Leopard-1A5 im Wert von 86 Millionen US-Dollar an die brasilianischen Streitkräfte geliefert. SIPRI meldete des Weiteren die Bestellung von 16 Dieselmotoren des Typs MTU-396 im Jahr 2010 für vier französische Scorpene-U-Boote. Weiterhin wurden sechs MAN-280-Diesel-Motoren 2011 bestellt und im Jahr danach ausgeliefert. Sie sollen in britische VT-90M OPV-Patrouillenboote eingebaut werden. Noch nicht vertragsreif unterzeichnet, so SIPRI, aber wohlgemerkt bestellt, sind 36 Flugabwehrkanonenpanzer des Typs Gepard.
Zum Schutz der Fußballstadien? Raketenabwehr- und Kampfpanzer von KMW
Von der Unsicherheitslage in Brasilien profitiert mit der Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG (KMW) aus München und Kassel ein zweiter Rüstungsriese aus Deutschland. Wie die EADS setzt KMW verstärkt auf den südamerikanischen Markt. Bereits anlässlich LAAD im April 2011 hatte der europäische Marktführer für militärische Rad- und Kettenfahrzeuge die Gründung einer neuen brasilianischen Tochterfirma offiziell bekanntgegeben.
Der KMW do Brasil in Santa Maria im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul kommt bei den Zukunftsplanungen der Deutschen immense Bedeutung zu: Santa Maria gilt „als kontinentales Drehkreuz für KMWs Unternehmungen in Südamerika“. Entsprechend wortgewaltig würdigte der anlässlich der Werkseröffnung eigens nach Rio de Janeiro gereiste KMW-Geschäftsführer Frank Haun das Geschäft: „Dieser Schritt ist ein klares Bekenntnis zu Brasilien.“ Nachdem das brasilianische Militär erst kürzlich Leopard-1-A5-Kampfpanzer und dazugehörige Systeme von Krauss-Maffei Wegmann erworben hatte, war Hauns Zielvorgabe eindeutig: „Wir wollen unsere Aktivitäten weiter ausbauen“. Mit dem Werk in Santa Maria habe sein Unternehmen nunmehr den idealen Standort für ein neues Entwicklungs-, Fertigungs- und Servicezentrum gefunden. Bedeutend sei, so Haun, der substanzielle Technologietransfer nach Brasilien.
Neben dem südamerikanischen Markt insgesamt gilt es für KMW in den kommenden Jahren vor allem den brasilianischen Markt zu erobern. Mit lokalen Ingenieuren und Experten soll die Entwicklung „von bedarfsgerechten, militärischen Fahrzeuglösungen für den regionalen Bedarf“ vorangetrieben werden. Geplant ist zunächst die Umrüstung von 200 Leopard-1-Kampfpanzern, die zwischen 1960 und 1979 gefertigt wurden, um sie den klimatischen Verhältnissen Brasiliens anzupassen. Jetzt fließen Unsummen in die Modernisierung der brasilianischen Streitkräfte und deren Kriegsgerät.
Den Waffenfabrikanten aus München und Kassel kommen bei neuen Waffenprojekten die beiden sportlichen Großereignisse entgegen, welche die Augen der Weltöffentlichkeit auf Brasilien lenken und damit das Sicherheitsbedürfnis wachsen lassen. Die brasilianische Regierung, so KMW-Geschäftsführer Haun, habe die Panzer „auch vor dem Hintergrund zweier sportlicher Mega-Events gekauft“. Dass die Sicherheit der Gäste aus aller Herren Länder bei der Fußball-WM und den Olympischen Sommerspielen gewährleistet werden muss, wird niemand bestreiten. Doch dass für diesen Zweck Kampfpanzer benötigt werden, ist mehr als fraglich.
Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall, Airbus/EADS und Heckler & Koch winken allerdings hohe Profite. Der FIFA und dem IOC sei Dank.
Jürgen Grässlin ist Sprecher der bundesweiten Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Zuletzt verfasste er das „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“, Heyne Verlag München 2013. Grässlin wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem „Aachener Friedenspreis“.
Bilder von brasilianischen Bundespolizisten mit G36-Gewehren sieht man u. a. auf (auf der Mitte) dieser Internetseite von Waffenfanatikern, auch hier, ebenso hier und hier.
Schweiz: Keine Kampfflugzeuge für die Schweizer Armee
In der Schweiz war Wahltag und abgestimmt wurde nicht über die Zusammensetzung des Parlaments, sondern unter anderem ob die Schweizer Luftwaffe 22 Flugzeuge des Typs Gripen E beschaffen soll. Das Ergebnis: Nein! 53% der Wähler sprachen sich gegen das Rüstungsprojekt aus. Das Ergebnis ist überraschend und kann nicht hoch genug bewertet werden, denn tatsächlich stellt es ein „politisches Novum“ dar, wie der Militärhistoriker Michael Olsansky erklärt:
„Es ist das erste Mal, dass das Volk ein so grosses Rüstungsgeschäft versenkt hat. In der Geschichte hatte es zwar schon mehrere brisante Armee-Abstimmungen gegeben, diese Niederlage ist jedoch ein politisches Novum.“
In einem ausführlichen Kommentar analysierte Reneé Zeller für die Neue Zürcher Zeitung das Abstimmungsergebnis und kommt zu einem ganz ähnlichen Resultat: Das Wahlvolk hat sich gegen den Kauf neuer Kampfflugzeuge entschieden und damit die faktische Abrüstung der Schweizer Luftwaffe beschlossen. Bereits im Jahr 2016 werden die noch verbleibenden Kampfflugzeuge des Typs F-5 Tiger außer Dienst gestellt werden. Durch neue Maschinen werden diese Flugzeuge – mindestens zunächst – nicht ersetzt werden. Zwei Schlüsse sind daraus nach Ansicht Zellers zu ziehen. Zum einen dokumentiert das Abstimmungsergebnis die wachsende Distanz der Schweizer Bevölkerung zu ihrer Armee. „Der Wehrwille bröckelt.“ – Und wenn nicht der Wehrwille selbst, so doch der Wille, sich eine teure Armee zu leisten. Das beschreibt dann das zweite von Zeller gezogene Fazit: Künftig, so scheint es, könnten Rüstungsprojekte grundsätzlich auf eine größere Skepsis stoßen. So bleibt nun die Frage, vor welcher Zukunft die Schweizer Armee insgesamt steht. Steht als nächstes ein Scheitern der geplanten Armeereform bevor? Kommt am Ende die Aufgabe der Wehrpflicht? Die Zukunft scheint wieder offen. – Gerade auch wegen der Volksabstimmung!