DAKS-Newsletter Januar 2020 ist erschienen!

Das neue Jahr beginnt wie das alte geendet hat: Heckler & Koch liefert Waffen in alle Welt und der Zustand der Bundeswehr wird skandalisiert um höhere Militärausgaben zu rechtfertigen.

Währenddessen hat SIPRI die Rüstungsproduktion Chinas analysiert, so dass der Weltmarktanteil Chinas am Weltrüstungsmarkt nun besser beziffert werden kann, als in den vergangenen Jahren. – Mehr zu all dem im neuen Newsletter.

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DAKS-Newsletter Januar 2020

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Heckler & Koch liefert trotzdem – und liefert Tod und Leid

Machtkämpfe, Postengeschacher und Strategie-Verkündungen einerseits, so wird Heckler & Koch derzeit in den Medien meist dargestellt, doch gibt es andererseits die skrupellose und traurige Realität der tatsächlichen Waffenexporte. Denn all das Gerede vom europäischen Zusammenschluss, all die schönen Worte von Waffenboykotts (gerade ist ja Libyen sehr „in“) und all die hehren Absichtserkundungen der Bundesregierung: Geliefert wird doch. Beispiele sind die Geschäfte mit Staaten der Jemen-Koalition, wir berichteten im DAKS-Kleinwaffen-Newsletter viele Male darüber, zuletzt im August 2019. Saudi-Arabien allein hat immense Waffenlieferungen von H&K erhalten, plus Waffentechnologie-Aufbau im eigenen Land. Andernorts dealt die schwäbische Firma aber auch:

Im September vergangenen Jahres gibt das Unternehmen selbst bekannt, dass auf der Londoner Waffenmesse DSEI ein Großauftrag an Land gezogen worden sei: Die Oberndorfer Waffenbauer dürfen wieder einmal die Gewehre der britischen SoldatInnen „modernisieren“. Die SA80A3-Variante des bekannten „Sturmgewehrs“ im Bullpup-Design bedarf anscheinend einer Überholung und für 15 Mio. britische Pfund (plus angeblicher Option auf weitere 50) lassen sich die deutschen Manager nicht länger bitten. Da hat die Tochtergesellschaft NSAF Limited ganze Arbeit geleistet. War da was mit G36-Problemen? Die global aktive Armee Großbritanniens baut auf die Waffen dieses Hauses, was kann also falsch damit sein? Medien-Erfolg und Prestigegewinn. Doch geht da alles mit rechten Dingen zu? Gerade erst wurde bei H&K der hochrangige Soldat Harald Kujat ins Boot geholt, um eben genau dessen (gute?) Kontakte zu NATO-Verbündeten, hier dem britischen Verteidigungsministerium, zu nutzen. Zufällig? Auffällig!

Nun bekommen die SA80-Waffen also, so die Firma in ihrer Pressemittelung, „einen neuen Sturmgriff, ein verbessertes Gehäuseoberteil, zusätzliche Sicherheitsfunktionen sowie Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung des Sturmgewehrs“. Modifiziert werde in Deutschland, die Endmontage erfolge dann im Vereinigten Königreich. So hat jeder was davon. Das ist Europa, leider, nur das. Ein friedliches Europa sieht anders aus.

Im Oktober informiert Oberndorf die interessierte (oder weniger interessierte) Öffentlichkeit, dass die von diesem Hersteller ach so enttäuschte Bundesregierung und ihr „Verteidigungs“-Ministerium Waffen des Typs GMW im Kaliber 40 mm x 53 NATO kaufen – und zwar für über vier Millionen Euro. Was ist eine GMW? Eine Granatmaschinenwaffe, also ein Maschinengewehr für Granaten, oder mit anderen Worten (niemals werde ich ihn vergessen, diesen so schön Sächsisch und dabei so unmenschlich sprechenden jungen Soldaten beim Müllheimer Kasernen-„Fest“) „eine richtig männliche Waffe“. Die Bundeswehr nennt sie „Unterstützungswaffe“ und sie soll, so der Waffenproduzent, „vorwiegend dem Eigenschutz der Aufklärungsfahrzeuge dienen“, sie verfüge aber infolge ihres hohen Wirkungs- und Raumabdeckungsgrads auch über eine hohe „Durchsetzungsfähigkeit“. Wahrscheinlich schon seit Homers Zeiten konnten Kriegsmaterialhersteller ihre tödlichen Waffen mit schönen Vokabeln gut verpacken. Hier wird gemeint: Tötet – gut – kaufen! So haben dann, nach Konzernangaben, wohl auch die Militärs von Kanada, Frankreich, Neuseeland, Norwegen und Großbritannien gedacht und gekauft. Und deutsche Offiziere, PolitikerInnen und BeamtInnen also auch. Für den Krieg in Afrika, dieses Mal nicht in Somalia wie noch zu Rühes Zeiten, und nicht in Deutsch-Südwest wie vor gerade mal einhundert Jahren, sondern in Mali und anderen Staaten Westafrikas. Die Erinnerung bzw. das Gedenken enden nicht und dürfen nicht enden: an koloniale Gräuel, Mord und an Völkermord! (Interessant dazu: das neue Buch von Bartholomäus Grill über unser rassistisches Erbe.) Doch deutsche Militär-Verbrecher wie Paul von Lettow-Vorbeck haben weiterhin ihre Straßen und Schulen und Denkmäler. Wozu?

Im Dezember kommt bei „European Security and Defence“ eine Meldung, dass sich das japanische Militär bei der Neuausrüstung seiner Truppen für ein Gewehr von Howa Machinery (mit Sitz im japanischen Kiyosu) entschieden hat. Heckler & Koch war mit dem HK416-Gewehr ins Rennen gestartet, eine weitere Konkurrentin war die belgische Waffenfirma FN Herstal. Doch eine andere Ausschreibung hat der deutsche Konzern gewonnen: Die Pistole SFP9 wurde vom japanischen Verteidigungsministerium als Ersatz für ein Modell des bisherigen Ausstatters SIG Sauer ausgewählt (gebaut von der japanischen Firma MinebeaMitsumi), ein Deal immerhin mit dem Wert von rund 250.000 Euro, für 323 Pistolen (H&K landet hierbei auf Platz 1 vor Beretta und Glock). Da gehen H&K zwar immense Millionenbeträge für den Gewehrauftrag verloren, aber man kann sehen: Der Konzern ist bei solchen Ausschreibungen im Gespräch, sogar im bisher so verschlossenen Japan. Wenn es also dieses Mal nichts geworden ist – man ist wohl in Kontakt. Oder anders gesagt: Es droht beim nächsten Mal ein Deal zwischen Heckler & Koch und den sogenannten Selbstverteidigungsstreitkräften des japanischen Kaiserreichs. Klingt leider aus historischer Perspektive sehr negativ und angesichts des schwindenden Pazifismus in Japan ist das auch negativ. Und: Howa Machinery bzw. Hōwa Kōgyō hat genauso wie Heckler & Koch eine blutige Vorgeschichte im Faschismus und im Zweiten Weltkrieg.

Ebenfalls im Dezember: Heckler & Koch verkündet, dass in den USA ein neues Maschinenpistolen-Modell auf den Markt kommt, die HK SP5, eine „Sportversion“ der berühmten MP5. „Sportversion“ – Maschinenpistolen als Sportwaffe? Da kann man schon hellhörig werden, vor allem in einem Land, das eine traurige und empörende Liste von Amokläufen und Schulmassakern aller schrecklichen Arten hat. „Halbautomatisch“ heißt es hier, doch was hilft das, wenn die Waffe genauso aussieht wie die echte vollautomatische Massentötungswaffe und auch so schießt? Sie bleibt eine militärische Schusswaffe. Wer braucht so etwas? Sportler? Combat-Shooting-Fans? Diese und andere Waffenfanatiker haben gerade öffentlich ihr Recht auf schwere Waffen und alle anderen Schuss- und Kleinwaffen bekräftigt. Doch das H&K-Team ist „proud“. Auf was? Wer da also keine Skrupel hat und auch 2.799 US-Dollar übrig: „The SP5 is shipping now.“ Da ist das nächste Schulmassaker schon vorprogrammiert…

Wir sehen: Die Firma hat sicher Geldsorgen, Krisen mit PolitikerInnen und auch interne Führungsquerelen. Aber die Show geht weiter, soll heißen, die Lieferungen und die Beihilfe zum Mord auch, also das Sterben durch deutsche Waffen.

ARD: Bericht zum Zustand und den (Un-)Fähigkeiten der Bundeswehr

Ist die Bundeswehr wieder „nur bedingt abwehr- und einsatzbereit“? Vor einigen Jahrzehnten war diese Frage ein Skandal. Die Zeiten habe sich natürlich geändert, heute versinkt Kritik leicht in der Masse der Medien-Erzeugnisse. Doch gestellt wird die Frage nach dem Zustand der Bundeswehr dieser Tage immer wieder sehr gern, aktuell vom SPD-Politiker Hans-Peter Bartels (sogenannter Wehrbeauftragter und ehemaliger Grundwehrdienstleistender, sprich Soldat) – ARD und ZDF berichteten mitleiderheischend bis reißerisch („Nicht mal ein Bett für jeden Soldaten“ bzw. „Bundeswehr‚ als Ganzes heute nicht einsatzfähig‘“). Bemängelt und beklagt bis bejammert wird das Fehlen von Material, Ausbildungsmöglichkeiten und funktionierenden Beschaffungsstrukturen genauso wie der angebliche Mangel an effektiven Waffensystemen und einsatzfähigen Kampftruppen. Doch einsatzfähig wofür? Für die Landesverteidigung? Oder für (geopolitische bzw. neokoloniale) Einsätze wie in Mali?

Im Bericht der ARD-Sendung Planet Wissen wird das „Mangel- und Mängel“-Thema unter der Überschrift „Sanierungsfall Bundeswehr“ diskutiert (Moderation Birgit Klaus und Dennis Wilms, Dauer knapp eine Stunde). Weil nur zwei Bundeswehr-Vertreter zum Gespräch eingeladen wurden, läuft diese Sendung allerdings Gefahr, tendenziös zu berichten, denn die „Meinung“ von Militärs und von soldatisch denkenden Menschen wird doch in der heutigen Bundesrepublik Deutschland immer noch sehr umfangreich unterstützt, ist aber nicht alles, was zum Thema gesagt und getan wird. Antimilitaristische Kritik und aktiver Protest sind nötig! Und sie finden vielerorts statt. Angesichts einer großen und substantiell arbeitenden Zivilgesellschaft und Friedensbewegung, die einer Demokratie wie Deutschland mehr als gut tun, ist eine solche Interview-Wahl für das öffentlich-rechtliche Fernsehen schon peinlich bis beschämend. Warum wurde keine kritischen Stimmen eingeladen? Ist das der neue Trend, nur das Militär sprechen zu lassen und andere Argumente und anderes, besseres Wissen stillschweigend zu übergehen? Bedrohlich!

Als Beispiel dient dieser Ausschnitt der Sendung: Wenn zwei Drittel der deutschen Bevölkerung den Afghanistan-Krieg ablehnen, wie der naive Soldat im Interview selbst angibt (und beklagt!), könnte bzw. müsste man von den ModeratorInnen erwarten, dass sie nachhaken, warum das so ist und ihren Gesprächspartnern wenigstens kritische Fragen stellen. Aber: nichts. Die Chance zu sinnvollem Journalismus vertan, stattdessen Hofberichterstattung mit der Frage, wie „man um die Zustimmung und Akzeptanz kämpfen muss“. Und wovon spricht der junge Soldat? Daran, dass er als Rekrut damals dachte, dass er bei der Bundeswehr Abenteuer erleben kann! Na, das ist ja mal ein kompetenter Gesprächspartner, wirklich beste Wahl.

Fazit: Das Gejammer über fehlendes Material, Waffen und entsprechende „Fähigkeiten“ soll mehr Geld in die Kassen der Streitkräfte spülen, nicht nur in Deutschland. Das ist reine Show zur Stärkung militärischen bzw. militaristischen Denkens. Haben wir nicht wirklich andere Sorgen und Krisen als Kriegstruppen? Ja, haben wir: soziale Missstände, Missstände im Pflege- und Altenpflegesystem, fehlendes Geld für die Integration von humanitär und sogar demografisch nötiger Einwanderung, fehlendes Geld im Bildungssektor, fehlendes Geld für Organisationen, die gegen neonazistische Kriminelle arbeiten, nicht zu vergessen die katastrophalen Folgen des Klimawandels hier und in vielen anderen Ländern. Aber sicher keine Missstände bei der Bundeswehr und ihren „Auslandseinsätzen“! Noch dazu vor dem Hintergrund von immensen Spannungen zwischen Ost und West, der NATO und Russland, mitsamt den jeweiligen Verbündeten, Spannungen, die aber beiden Blöcken von Nutzen sind, weil dadurch ihr Militär legitimiert wird! Die Bundeswehr teuer ausrüsten und für (noch mehr) Krieg bereitmachen? Nein. Die Devise muss lauten: Bundeswehr abschaffen, nicht ausrüsten. Das und nicht anderes ist die dringend benötigte Trendwende.

Doch Bartels fordert von der (fachkundigen?) Kanzlerin-Ministerin Kramp-Karrenbauer eine Aufrüstung, Wehrbereitschaft, Kriegsfähigkeit. Und weil die Wahrnehmung sichtbarer „Verbesserungen“ bei den deutschen Streitkräften über ihre Kandidatur mitentscheiden können, ist eine Friedenspolitik (innergesellschaftlich wie außenpolitisch) wieder nicht das Ziel (der Regierung Merkel). Aber auch andere mögliche KandidatInnen würden es wohl kaum anders machen oder ihre Politik anders verkaufen. „Nie wieder Krieg!“ – seit Adenauer in Deutschland schon vergessen.

SIPRI-Studie: Welche Rolle spielen chinesische Rüstungsunternehmen auf dem Weltmarkt?

Wenn in China ein Flugzeugträger zu Wasser gelassen wird, wächst in Europa und den USA die Sorge vor China als einer aufstrebenden Militärmacht. Immer wenn SIPRI seinen Rüstungsbericht vorlegt und darin Deutschland als weltweit dritt- oder viertgrößter Exporteur von Waffen benannt wird, wird auf China verwiesen, dessen Rolle auf dem weltweiten Waffenmarkt nicht genau bestimmt werden könne. In beiden Fällen steht die Frage im Raum, wie die chinesische Rüstungsindustrie beschaffen ist und über welche Leistungsfähigkeit sie verfügt. – Und auf genau diese Frage versucht eine neue SIPRI-Studie Antworten zu finden. In ihrer am 20. Januar 2020 veröffentlichten Studie „Estimating the Arms Sales of Chinese Companies“ verfolgen die Autor*innen Nan Tian und Fei Su einen quantifizierenden Ansatz. Und das ist neu, denn während bisherige Untersuchungen vor allem die Qualität chinesischer Waffen – im Vergleich mit Waffen aus westlicher Produktion – im Blick hatten, konnte mangels Daten bisher nicht analysiert werden, welche Rolle die chinesische Rüstungsindustrie im internationalen Vergleich spielt.

Dabei ist zunächst festzustellen, dass auch die jetzige Erhebung noch lückenhaft ist, da etwa für die sieben größten – in jeweils ihrem Rüstungssektor führenden – chinesischen Firmen, nur für vier belastbare offizielle Daten verfügbar waren. Weiterhin gilt vorab festzustellen, dass diese Firmen, bedingt durch die Genese der chinesischen Rüstungsindustrie, bis heute unter direkter staatlicher Kontrolle stehen und als Mischkonzerne nicht nur im Rüstungsbereich tätig sind, sondern auch substantielle Geschäftsfelder im zivilen Bereich bedienen.

Diese Einschränkungen und Vorläufigkeiten in Rechnung gestellt lässt sich dank der neuen Studie dennoch einiges über die chinesische Rüstungsindustrie erfahren. Nicht überraschend ist dabei die Erkenntnis, dass der Marktführer für Kleine und Leichte Waffen der Mischkonzern Norinco ist. Ein Konzern mit rund 700.000 Mitarbeitern, der von Produktionsmaschinen, über Fahrzeuge, petrochemische und bergbautechnische Produkte bis hin zu Finanzdienstleistungen und Kleinwaffen fast alles herstellt. Wenn sich der Gesamtumsatz von Norinco im Jahr 2017 auf rund 64,3 Milliarden US-Dollar belaufen haben soll und der Anteil von Rüstungsgütern 27% oder 17,2 Milliarden US-Dollar betragen haben soll, dann ist das in der Tat ein beachtlicher Anteil und eine beachtliche Summe, auch wenn natürlich nur ein Bruchteil davon auf den Verkauf von Kleinwaffen entfällt.

Norinco findet sich in dieser Darstellung unter den TopTen der weltweit größten Rüstungsunternehmen im Jahr 2017 auf Platz 8. Nach General Dynamics aus den USA, aber vor der europäischen Airbus-Gruppe.

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