In der September-Ausgabe des Kleinwaffen-Newsletters berichten wir ueber die G36-Funde in Libyen und die Verstrickung der EU-Regierungen in die libysche Diktatur. Juergen Graesslin hat uns dazu ein Interview gegeben, das ebenfalls die HK-Waffen thematisiert, die in Gaddafis Waffenarsenalen gefunden wurden. Ausserdem werden in dem Interview auch die kommenden Aktionen der Kampagne “Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!” erlaeutert.
Wir gratulieren nochmals den Traegerinnen des Aachener Friedenspreises 2011!
Ein Dank geht an Radio Dreyeckland in Freiburg, denn die dortigen RadiomacherInnen haben immer wieder zum Thema Kleinwaffen und Ruestungsexporte berichtet. Internetlinks zu einigen Interviews finden sich im aktuellen Newsletter.
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DAKS-Newsletter September 2011
1. Berichte von der Preisverleihung des Aachener Friedenspreises 2011
Am 1. September wurde der Aachener Friedenspreis an die Informationsstelle Militarisierung und an Jürgen Grässlin verliehen. Auf der Internetseite des Aachener Friedenspreises finden sich alle Hintergrundinformationen zu den diesjährigen PreisträgerInnen. Zu sehen sind Videos und Fotos der Abendveranstaltung sowie der Demonstration am gleichen Tag.
2. „Die Bundesregierung muss alle illegalen G36-Exporte aufklären und die Saudi-Arabien-Lizenz zurückziehen“
Interview mit Jürgen Grässlin – Die Fragen stellte André Maertens.
Sie haben aktuell Strafanzeige gestellt gegen Heckler & Koch wegen der G36-Gewehre, die in Libyen aufgetaucht sind. Weshalb haben Sie rechtliche Schritte eingeleitet?
Ja, das stimmt. Wir haben am 31. August 2011 seitens der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ über unseren Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafanzeige gestellt. Die bei den Plünderungen des Präsidentenpalastes gefundenen Sturmgewehre des Typs G36KV weisen vom Bautyp und von den Waffenzeichen her zweifelsfrei auf eine Produktion im Oberndorfer Stammwerk von Heckler & Koch hin. Das Unternehmen behauptet, nicht geliefert zu haben, und die Bundesregierung gibt vor, keine G36-Exporte nach Libyen genehmigt zu haben – dieser Waffentransfer ist illegal erfolgt.
Wer hat die G36-Gewehre nach Libyen exportiert?
Eine spannende Frage, die zum jetzigen Zeitpunkt niemand von uns beantworten kann. Möglicherweise sagt die H&K-Geschäftsführung die Unwahrheit und hat doch über Umwege geliefert. Oder einer der bisherigen Empfänger der G36-Sturmgewehre in der Kurzversion – beispielsweise ein NATO-Partner – hat die Endverbleibserklärung gebrochen und widerrechtlich reexportiert. Darauf lässt auch die Tatsache schließen, dass die Gewehrnummern herausgefräst und durch neue ersetzt wurden. Jetzt muss die Staatsanwaltschaft endlich ernsthaft tätig werden, das dritte Ermittlungsverfahren gegen H&K und gegen unbekannt einleiten und schnellstmöglich Anklage erheben.
Die Ermittlungen in Sachen G36-Gewehre in Mexiko ziehen sich hin. Ist die Sachlage derart kompliziert?
Im Gegenteil, die Fakten sind bekannt. Ich habe, gleichsam über Rechtsanwalt Rothbauer, bereits im April 2010 Strafanzeige gegen H&K gestellt. Denn unser Hauptbelastungszeuge war vormals beim Unternehmen beschäftigt und in den Fall involviert. Wenn seine Aussagen stimmen – woran ich keinerlei Zweifel habe – muss die Staatsanwaltschaft Stuttgart jetzt endlich Anklage gegen die Verantwortlichen bei Heckler & Koch erheben. H&K steht in dringendem Verdacht, dazu beitragen zu haben, dass G36-Gewehre zumindest in zwei der vier verbotenen Provinzen gelangten und Polizisten in Jalisco an den Kriegswaffen geschult wurden.
Und darüber war die Geschäftsführung informiert?
Ganz offensichtlich ja. Denn jede Auslandsreise muss von einem Mitglied abgezeichnet werden. Zudem hat sich nicht nur unser Informant geweigert, die Reisen in die Unruheprovinzen in Mexiko anzurechnen. Nicht nur die Buchhaltung in Oberndorf hatte sämtliche Unterlagen vorliegen. Mit der Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft und des Zollkriminalamts befinden sich diese Unterlagen jetzt auch auf dem Tisch der Stuttgarter Staatsanwalt.
Wer hätte denn das mexikanische Verteidigungsministerium informieren müssen, dass die G36-Gewehre nicht von Mexiko-Stadt in die verbotenen Provinzen geliefert werden dürfen?
Meines Wissens nicht die Bundesregierung und die nachgeordneten Behörden, sondern Heckler & Koch hätte die D.C.A.M. in Kenntnis setzen müssen. Das ist augenscheinlich nicht passiert, damit läge auch dieser Rechtsbruch auf Seiten der Firma. Alles, wirklich alles, spricht für die Anklageerhebung gegen Heckler & Koch.
Und doch signalisiert das Unternehmen Unterstützung und entsendet sogar eine Reisedelegation nach Libyen. Hat die Unternehmensführung verstanden?
Unseriösen Unternehmen kann – ja muss – die Erlaubnis zum Kriegswaffenexport entzogen werden. Bekanntlich finden sich in den Waffen weitere Herstellungshinweise, wobei wir jetzt schon wissen, dass die G36KV für Libyen im Jahr 2003 gefertigt wurden. Auch gibt es technische Verfahren, herausgefräste Nummern wieder kenntlich zu machen. Wenn Heckler & Koch wirklich an Aufklärung gelegen wäre, würden die Waffenexperten von Tripolis sogleich nach Tiflis weiterfliegen und sich die dort gleichsam illegal aufgetauchten G36 in Händen staatlicher Sicherheitskräfte in Georgien zeigen lassen. Anhand der Gewehrnummern und dem Kriegswaffenkontrollbuch sollte es ein Leichtes sein, die Rechtsbrecher ausfindig zu machen. Ich zweifle allerdings massiv daran, dass H&K und die Bundesregierung daran ernsthaft Interesse haben.
Wie sollte die Bundesregierung im Fall der G36-Produktion in Saudi-Arabien verfahren? Das Könighaus verletzt die Menschenrechte …
… und ganz offenbar auch die rechtlich bindende Endverbleibserklärung. Denn das staatliche Unternehmen MIC warb bereits für den Weiterverkauf der in Al-Kharj produzierten G36. Bei der Waffenmesse IDEX in den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden wohl G36-Gewehre präsentiert, obwohl offenbar keine Ausfuhrgenehmigung seitens der Bundesregierung in das Nachbarland vorlag. Die Bundesregierung muss alle illegalen G36-Exporte aufklären und die Saudi-Arabien-Lizenz zurückziehen – auch wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen. Rechtlich wäre dies möglich. Wenn sie das nicht tut, wird in Zukunft wieder der Nahe und Mittlere Osten und Afrika mit deutschen Sturmgewehren aus saudischer Fertigung überflutet werden. Das geschah bereits mit dem G3 so mit der Folge unzähliger Toter und Verstümmelter durch in Deutschland entwickelte und in ausländischer Lizenz gefertigte Schnellfeuergewehre.
Warum dürfen die Grünen jetzt eigentlich so tun, als ob unter Rot-Grün keine Waffen exportiert worden wären?
Unter der Führung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Vize Joschka Fischer wurden Rüstungsexporte insgesamt schier verdoppelt. Genehmigungen für Waffentransfers an das repressive Königshaus in Saudi-Arabien wurden sowohl für Großwaffensysteme als auch für so genannte „Kleinwaffen“ vergeben. Rot-Grün stimmte sogar der Lieferung von Scharfschützengewehren an die Regierung in Riad zu – einzig die Lieferung von Leopard-2-Panzern wurde versagt. Wenn man in diesem Zusammenhang Positives vermelden will, dann ist es die selbstkritische Reflektion in diesen Tagen.
Wie entwickelt sich die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“?
Einfach grandios – wöchentlich treten dem Aktionsbündnis weitere Organisationen bei, zudem erzielen wir eine bislang unerreichte Medienresonanz. Das muss auch so sein, wenn wir unser Zwischenziel einer Grundgesetzergänzung und in weiteren Schritten einen vollständigen Stopp von Rüstungsexporten erreichen wollen. Nur wenn es uns gelingt, den dafür notwendigen breiten gesellschaftlichen Druck auf die Bundesregierung auszuüben, werden wir erfolgreich sein. Denn die Lobby der Gegenseite hat die Politik noch immer gut im Griff.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg sind auch die geplanten Zeugen- und Opferreisen Betroffener aus den Einsatzregionen deutscher Waffen.
Aufgrund der beachtlichen Nachfrage für das Veranstaltungsangebot „Stoppt die Waffenhändler: Rüstungsgüter ‚Made in Germany‘ ins südliche Afrika“ bieten Connection e.V. und die Aufschrei-Kampagne bereits eine Rundreise mit Emanuel Matondo im Februar und März 2012 an. Die Anmeldung erfolgt über www.Connection-eV.de/projekt-reihe.php. Alle weiteren wichtigen Infos zur ersten Rundreise im November, zur Kampagne mit den Unterschriftenlisten und topaktuelle News zum Waffenhandel finden sich auf www.aufschrei-waffenhandel.de
Nach dem Göttinger Friedenspreis 2011 für „Ohne Rüstung Leben“ und die „Arbeitsgruppe Rüstungsexporte der GKKE“ ging nun der Aachener Friedenspreis ebenfalls an Rüstungsgegner. Wie bewerten Sie das?
Wenn das keinen Rückenwind für uns alle bringt! Ich freue mich riesig über die Anerkennung meiner Arbeit, vor allem aber über die Würdigung unseres gemeinsamen gewaltfreien Kampfes gegen die Waffenhändler in den Konzernzentralen und am Kabinettstisch. Die beiden Friedenspreise machen Mut und zeigen: Konsequente und langfristig angelegte Friedensarbeit wird anerkannt und ist erfolgreich.
Danke für das Interview!
Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, der Deutschen Friedensgesellschaft–Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen (DFG-VK) und des Deutschen Aktionsbündnisses Kleinwaffen Stoppen (DAKS) sowie Vorsitzender des RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.).
3. Waffen gegen Immigranten: Europas Regierungen und ihre Geschäfte mit dem Gaddafi-Regime
Die in den vergangenen Jahren erfolgten Waffenexporte nach Libyen werden – je mehr der Übergangsrat seine Macht konsolidiert – in der deutschen Öffentlichkeit immer deutlicher problematisiert. Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte nun eine Aufstellung, laut der allein im Jahr 2009 europäische Waffen im Wert von 272 Millionen Euro nach Libyen verkauft worden seien. Hauptexporteur war demnach Italien mit Waffen im Wert von 120 Millionen Euro, gefolgt von Deutschland (53 Millionen Euro), Frankreich (31 Millionen Euro) und Großbritannien (26 Millionen Euro). Konkrete Informationen über die gelieferten Waffen, die sich hinter diesen Zahlen verstecken, sind jedoch nur schwer zu bekommen. Eine erhellende Zusammenfassung, der verfügbaren Informationen bietet „Defense Industry Daily“ in einem Hintergrundbericht. Die Darstellung zeigt, dass Gaddafi tatsächlich jegliche Art von Waffen zum Kauf angeboten wurden. Und wenn es (teilweise) nicht zu Vertragsabschlüssen gekommen sein sollte, dann liegt das wohl weniger an der Bereitschaft der EU-Regierungen, entsprechenden Verkäufen zuzustimmen, als an den besseren Konditionen, die zum Beispiel russische Firmen dem Regime eingeräumt haben.
Was aus all dem nicht hervorgeht und was bisher kaum diskutiert wird, sind die Motive, die die Bereitschaft der europäischen Regierungen zur Kooperation erzeugt hat. Diese lassen sich rekonstruieren, wenn man die verfügbaren, auf Libyen bezogenen Dokumente betrachtet, die im Rahmen der Euro-Mediterranen Partnerschaft (EMP) und der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) verabschiedet wurden. Sehr schnell wird dann klar, dass die Waffenverkäufe keineswegs als eine Art Türöffner-Geschäft missinterpretiert werden sollten, durch die Gaddafi gnädig gestimmt und von der Sinnhaftigkeit seiner Kooperation mit den Europäern überzeugt werden sollte. Die Waffen wurden, so scheint es, dem Gaddafi-Regime vor allem auch deshalb zum Kauf angetragen, weil man in Europa hoffte, durch die qualitative Aufrüstung und Schulung der libyschen Sicherheitskräfte die illegale Immigration nach Europa eindämmen zu können.
Deshalb erhielt das Land bereits im Jahr 1999, unmittelbar nach dem Ende der gegen Libyen verhängten UN-Sanktionen einen Beobachterstatus im 1995 begonnenen EMP-Prozess. Ab 2003 wurden Überlegungen angestellt, ob und wenn ja, wie Libyen in die geplante ENP einbezogen werden könnte. Ein Strategie-Papier der EU-Kommission aus dem Jahr 2004 stellt in diesem Zusammenhang fest: „Die EU begrüßt den Eintritt Libyens in den Barcelona-Prozess (= EMP) auf Grundlage der uneingeschränkten Übernahme des Barcelona-Besitzstands durch Libyen und der Lösung offen stehender bilateraler Fragen. Das wird den Weg für die Einrichtung normaler Beziehungen ebnen, so dass Libyen in der Lage ist, in den Genuss der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu kommen.“
Ebenfalls in das Jahr 2004 fällt auch die Aufhebung des von der EU verhängten Waffenembargos, ein Schritt der, so betrachtet, lediglich einen Baustein im Rahmen einer allgemeinen Politik darstellte. Eine Politik, die die grundsätzliche „Normalisierung“ der Beziehungen zwischen Gaddafi-Regime und EU zum Ziel haben sollte.
Das Tempo der Re-Integration Libyens wurde von europäischer Seite mit großer Eile vorangetrieben. Bereits am 23. Juli 2007 unterzeichneten die EU-Kommissarin Ferrero-Waldner und der libysche Staatssekretär al-Obeidi eine Vereinbarung, die eine Kooperation in den Bereichen Handel, Migration, Bildung, öffentliche Gesundheit und Kultur vorsahen. Schon im Jahr 2008 wurden weiterführende Verhandlungen begonnen, die ein Rahmenabkommen zwischen EU und Libyen zum Ziel haben sollten, durch das die Beziehungen zwischen beiden Akteuren auf eine neue Basis gehoben werden sollten. Darin inbegriffen nun natürlich auch der Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik. Im Jahr 2009 reiste EU-Kommissarin Ferrero-Waldner erneut nach Libyen um die Verhandlungen fortzusetzen. Unmittelbar vor ihrer Abreise begründete sie ihr Engagement u.a. auf folgende Weise: „Die große Zahl der Migranten, die nach Libyen und in die EU kommen, ist für beide Seiten zunehmend besorgniserregend. Deshalb werde ich diese schwierige Frage bei den Beratungen in Libyen ansprechen, damit die bestmögliche Form der Zusammenarbeit gefunden werden kann.“ Noch im gleichen Jahr begannen gemeinsame Operationen der italienischen und libyschen Marine, unterstützt durch von der EU gestellte FRONTEX-Kräfte, die die illegale Einwanderung von Libyen nach Italien zu unterbinden halfen. Pro Asyl kritisierte diese Entwicklung in einer thematischen Broschüre zu diesem Thema scharf. Zitat: „Dass die EU, ihre Mitgliedsstaaten und FRONTEX Libyen massiv bei der Abschottung seiner Grenzen unterstützen, ohne sich für die katastrophale Situation der Flüchtlinge zu interessieren, macht sie mitverantwortlich für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die Schutzsuchende in Libyen erleiden.“ In diesem Zusammenhang kritisiert Pro Asyl auch die Lieferung von Ausrüstungsmaterial, das libysche Sicherheitskräfte ab 2004 (dem Jahr, in dem das EU-Waffenembargo offiziell aufgehoben wurde) von Italien und den anderen EU-Ländern erhielten. Im Jahr 2005 begannen dann die Urlaubsreisen ehemaliger und aktiver SEK-Beamter nach Libyen, die dort Soldaten diverser Militäreinheiten ausgebildet haben.
Vor dem Hintergrund des FRONTEX-Einsatzes und der Haltung Italiens gegenüber illegalen Immigranten auf Lampedusa wird klar, weshalb die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten bereitwillig Waffen nach Libyen geschickt haben. Und das selbst, als längst Zweifel sowohl an der Legitimität der Flüchtlingsabwehr auf hoher See als auch an der Fähigkeit der libyschen Behörden bestanden, die nach Libyen zurückgebrachten Flüchtlinge auf eine humane und menschenwürdige Weise zu behandeln und zu versorgen.
Das noch vor den politischen Veränderungen diskutierte und verabschiedete „Strategy Paper & National Indicative Programme 2011-2013“ der EU für Libyen analysiert die Flüchtlingssituation folgenderweise: „In recent years, Libya has become a very important destination country for irregular migration, mostly originating from neighbouring countries and sub-Saharan countries. […]
The increased migratory pressure from irregular migration on Libya’s southern borders was reflected in 2008 by the sharp increase in the number of irregular migrants brought across the Mediterranean to Italy and Malta by smugglers operating along the Libyan shores and in the number of irregular migrants intercepted by the Libyan border police in the south of the country. However, since the entry into force of joint naval patrols with Italy in May 2009, the number of illegal migrants arriving in Italy and Malta from Libya has fallen very sharply.“ 2009, das gleiche Jahr, in dem Belgien Kleinwaffen von FN Herstal nach Libyen exportieren wollte (vgl. DAKS-Newsletter 8/2009) – ein Geschäft, dass erst dadurch unterbunden wurde, dass der Oberste Gerichtshof die erteilten Exportanträge widerrief, da diese mit Europäischem Recht (namentlich der Code of Conduct on Arms Exports / Gemeinsamer Standpunkt über Rüstungsexporte) nicht in Einklang stünden. Beziehungsweise das gleiche Jahr, in dem Italien dem Rüstungsunternehmen Beretta gestatte, 11.000 „nicht-militärische“ Kleinwaffen nach Libyen zu exportieren (vgl. DAKS-Newsletter 7/2011).
All diese Waffen wurden nicht geliefert, weil man annahm, sie würden in irgendwelchen Magazinen verstauben und allenfalls bei Militärparaden gezeigt werden. Sie wurden verkauft, weil man hoffte, dass sie auch eingesetzt würden. Und darin besteht der eigentliche Skandal: Die europäischen Regierungen sind willens und bereit ein gemeinsames Regelsystem der Rüstungsexportkontrolle aufzubauen, aber sie sind nur so lange bereit es auch anzuwenden und seine Einhaltung durchzusetzen, wie sie es für politisch opportun halten.
4. Erneut G36-Schnellfeuergewehre in Libyen aufgetaucht
Bereits Anfang März sorgte eine auf youtube veröffentlichte Aufnahme des Gaddafi-Sohnes Saif Gaddafi, der sich siegesgewiss vor Anhängern mit einem G36-Gewehr zeigte, für Spekulationen über möglicherweise illegal nach Libyen exportierte Waffen dieses Typs. Während Heckler & Koch damals noch abwiegelte, versicherte, es hätte niemals Exporte nach Libyen gegeben, und die These aufstellte, vielleicht handelte es sich bei der gezeigten Waffe ja um eine Softair-Attrappe (vgl. DAKS-Newsletter 4/2011), lassen die neuerlichen Waffenfunde nun den damaligen Verdacht zur Gewissheit werden: Heckler & Koch ist ein Problem und die deutsche Rüstungsexportkontrolle ist offensichtlich nicht in der Lage deutsche Rüstungsexporte effektiv zu kontrollieren und wo nötig zu unterbinden. Hierbei ist es eigentlich unerheblich, wie viele Waffen nun genau nach Libyen gelangten. Dass diese Waffen nicht zur Standardbewaffnung der libyschen Sicherheitskräfte gehörten, ist unbestritten. Aber entsprechende Waffen sind eben mittlerweile nicht nur Libyen aufgetaucht, sondern zuvor schon bei georgischen Spezialeinheiten und bei mexikanischen Polizeieinheiten – all das ohne deutsche Rüstungsexportgenehmigung. Weil die nun bekanntgewordenen Waffenexporte also keinen Einzelfall mehr darstellen, sondern in den vergangenen Jahren vermehrt „geschahen“ stellen sich Fragen an die Zuverlässigkeit des Waffenherstellers genauso wie an die Effektivität der deutschen Kontrollbehörden.
Es stellt sich nicht nur die Frage, wie die Waffen nach Libyen gelangt sein könnten, sondern auch, wie libysche Regierungsvertreter die Waffe schätzen gelernt haben könnten, so dass sie sie besitzen wollten. Die Kooperation der Europäischen Union mit Libyen in Fragen der illegalen Immigration erscheint hierbei als ein mögliches Feld. Neben Deutschland setzen vor allem auch Spanien und Griechenland das G36-Gewehr in ihren Armeen ein. Alle drei Länder entsenden Polizisten und Soldaten zur Teilnahme an FRONTEX-Einsätzen, deren Teilnehmer seit nunmehr mehreren Jahren mit libyschen Sicherheitskräften kooperieren. Natürlich ist dies nicht mehr als eine Vermutung und dennoch scheint es naheliegend, dass der Wunsch von libyscher Seite, G36-Gewehre zu besitzen, in diesem Kontext entstanden sein könnte.
Nahrung fand das Verlangen dann sicherlich durch die Tätigkeit deutscher Polizeibeamter, die in den Jahren 2005 und 2006 etwa 120 libysche Polizisten im Antiterrorkampf geschult haben sollen (vgl. DAKS-Newsletter 10/2010).
Es ist zu hoffen, dass bald Licht in die Hintergründe des Libyen-Skandals gebracht wird. Die Grundlagen dazu sind mittlerweile geschaffen, da die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren begonnen hat. Wie die Hintergründe aber auch gewesen sein mögen, fest steht, dass es so nicht weiter geht. Konsequenzen müssen gezogen werden. Im Hinblick auf die Sicherstellung der Zuverlässigkeit der Waffen-Produzenten, aber auch im Hinblick auf die Durchsetzungsfähigkeit deutscher Kontrollbehörden.
Weitere Informationen zu den G36-Funden gibt es unter:
Bericht der Stuttgarter Nachrichten vom 31.08.2011:
Kontraste-Sendung vom 1. Sept. 2011:
http://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste_vom_01_09/g_36_affaere___deutsche.html
(Anmerkung zu der Kontraste-Sendung: Dr. David Th. Schiller war Chefredakteur der Waffenzeitschrift Visier.)
Bericht zu G3-Funden in Libyen:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,782789,00.html
Bericht über ein angebliches HK-Expertenteam, das die G36-Lieferung nach Libyen untersuchen soll:
http://www.n-tv.de/politik/Heckler-Hoch-schickt-Ermittler-article4213886.html
Aufstellung aller G36-Exporte gefordert. Brief von Gregor Gysi an Angela Merkel:
http://www.waffenexporte.org/wp-content/uploads/2011/06/Gysi-G36-Brief-anMerkel-1.9.11.pdf
Kommentar zu der Untätigkeit von Regierung und Staatsanwaltschaft in „Neues Deutschland“ am 26. September 2011:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/207610.gaddafi-knarren-kein-thema-fuer-merkel.html
5. Radio Dreyeckland: Interviews zum Thema Kleinwaffen und Rüstungsexporte
Das linke und nichtkommerzielle Radio Dreyeckland (RDL) mit Sitz in Freiburg arbeitet auch zu den Themen Rüstungshandel und Kleinwaffen. Eine kleine Auswahl dieser Sendungen wollen wir hier vorstellen und danken den RadiomacherInnen dafür.
Am 1. September 2011 sprach Radio Dreyeckland mit Otfried Nassauer vom „Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit“ (BITS) über Schwäbische Waffen in Libyen , also über die G36-Funde.
Ein Interview mit Peter Clausing (IMI-Beirat) am 22. Juli 2011 stand unter der Überschrift „Doppelzüngiges Werteverständnis: Zum Sicherheitsabkommen Mexiko – BRD“.
Weitere Interviews:
Interview mit Jan van Aken (MdB für DIE LINKE) am 4. Juli 2011:
„Denen klebt Blut an den Händen“ – Deutsche Bundesregierung verkauft weiter Waffen an Saudi-Arabien
Interview mit Paul Russmann (Ohne Rüstung Leben) am 4. April 2011:
Doppeltes Geschäft für Daimler im Libyen-Krieg
Interview mit Horst Luppe (Mitglied im Freiburger Friedensforum) am 1. April 2011: Deutsche Waffen für Dikatoren und Scheindemokraten
Interview mit Jan van Aken am 16. März 2011:
Außer Kontrolle – Deutsche Rüstungsexporte
Interview mit Jürgen Grässlin am 7. März 2011:
Deutsche Waffen morden auch in Libyen
Interview zu Eurofighterverkauf nach Indien mit Jan van Aken am 11. Februar 2011:
Jede Frittenbude wird in Deutschland besser kontrolliert als Rüstungsexporte –
Paul Russmann im Gespräch mit Johanna Wintermantel am 1. Februar 2011:
Waffen für das Mubarak Regime – Die Heuchelei der deutsch-europäischen Menschenrechtspolitik