DAKS-Newsletter Dezember 2011 ist erschienen!

Eher unweihnachtlich sind die Themen des aktuellen Newsletters: der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2010 ist erschienen. Die damit öffentlich werdenden Geschäfte, insbesondere im Hinblick auf die Exportpraxis von Kleinwaffen, werfen jedoch einige Fragen auf. Fragen wirft auch ein Bericht des Bundesrechnungshofes auf, laut dem die Bundeswehr nicht in der Lage ist Kleinwaffen Munition korrekt und sicher zu lagern. Zu beiden Themen im Newsletter mehr.

Außerdem: Heckler & Koch kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Nachdem zunächst die Parteispenden thematisiert wurden, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren zum Zweck der politischen Landschaftspflege betrieben hat – dazu ein Kommentar von André Maertens – ist es nun der Export von Maschinenpistolen nach Indien, der einige Fragen aufwirft. Auch dazu mehr im neuen Newsletter.

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„Kleinwaffen-Newsletter“.DAKS-Newsletter Dezember 2011

Der Rüstungsexportbericht 2010: Erstaunlich und bemerkenswert, aber wenig überraschend

Der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2010 ist am 7.Dezember 2011 erschienen. Die darin enthaltenen Grunddaten und Tendenzen kursieren schon seit einiger Zeit in der Presse. Die Nachricht, dass das Volumen der erteilten Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen umdramatische 39% gestiegen ist, wie auch die Nachricht, dass der Wert der tatsächlich exportierten Waffen im Vergleich zum Vorjahr sogar um 58% gestiegen ist, kann daher nicht mehr überraschen.

Auch für plötzliche Entrüstung fehlt jeder Anlass, ist der Trend steigender deutscher Rüstungsexporte doch seit Jahren konstant. Eine wirkliche Überraschung wäre es lediglich gewesen, wenn die Bundesregierung weniger Genehmigungen erteilt hätte.

Was also gibt es zum diesjährigen Rüstungsexportbericht überhaupt zu sagen? Nun, die Qualität des deutschen Rüstungsexportkontrollregimes sei an einem Beispiel illustriert:

Laut veröffentlichtem Bericht wurden in den Irak Waffen im Wert von rund 54 Millionen Euro exportiert. Das Volumen der genehmigten Rüstungsexporte ist damit binnen eines Jahres um 112% gestiegen. Wohlgemerkt: trotz Fortbestehen des partiellen EU-Waffenembargos und trotz der anhaltenden Gewalt. Auf der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte erlangte der Irak damit immerhin Rang 17; knapp hinter Österreich (Rang 16) und Norwegen (Rang 15). Die Waffenexporte beinhalteten natürlich auch Kleinwaffen: namentlich 80 nicht näher bestimmte Kriegswaffen, Teile für Maschinengewehre und 40.000 Schuss Gewehrmunition. Nun steht außer Frage, dass die irakischen Sicherheitskräfte einen Bedarf an solchen Waffen haben, da ja bekanntermaßen immer wieder größere Mengen an Kleinwaffen, die an diese Sicherheitskräfte geliefert werden, spurlos verschwinden (vgl. DAKS-Newsletter 4/2008). Dank der deutschen Rüstungsindustrie und dank der Bereitschaft der verantwortlichen Rüstungskontrollgremien kann diesem Mangel aber ja immer wieder aufs Neue abgeholfen werden.

Und der Irak war 2010 nicht das einzige Empfängerland deutscher Kleinwaffen. Solche Waffen importierte beispielsweise auch San Marino. Genehmigt wurde der Export so genannter Jagd- und Sportwaffen im Wert von knapp 33.000 Euro. Jedoch: Für den Export einer Kleinwaffe im Wert von weniger als 1000 Euro an dasselbe Empfängerland wurde, unter Verweis auf Kriterium 7 des EU-Verhaltenskodex, keine Genehmigung erteilt. Die näheren Hintergründe des Geschäfts sind natürlich vollkommen unbekannt, der entsprechende Absatz des rechtsverbindlichen EU-Verhaltenskodex hält jedoch fest, dass ein Export zu untersagen sei, wenn etwa das „Risiko einer Umleitung der Ausrüstung im Käuferland“ besteht. Der Verhaltenskodex deutet diese Formulierung aus, indem er festhält, dass hierunter insbesondere das Risiko zu berücksichtigen sei, dass „die Waffen […] zu terroristischen Vereinigungen umgeleitet werden.“

Es ist wirklich beeindruckend! Den Verantwortlichen im Bundesamt für Ausfuhrkontrolle scheint bekannt gewesen zu sein, welche der nach San Marino exportierten Waffen an die Mafia weitergegeben werden sollten. – Und gleichzeitig konnten dieselben Verantwortlichen ausschließen, dass im Irak Vergleichbares passiert.

Davon abgesehen scheint die deutsche Rüstungsindustrie nach wie vor vom Krieg in Afghanistan zu profitieren. Dies zeigt sich etwa an den Exporten in die USA, die im Jahr 2010 in Deutschland vor allem Kleinwaffen und entsprechende Munition erworben haben. Die entsprechenden Exporte umfassen 40% des Gesamtgeschäfts bzw. belaufen sich auf ein Volumen von 241 Millionen Euro. Großbritannien erhielt im gleichen Jahr Munition im Gesamtwert von rund 70 Millionen Euro. Entsprechende Exporte machten damit 15,3 % des Gesamtwertes der deutschen Rüstungsexporte in dieses Land aus. Zu erklären ist diese Tendenz wohl tatsächlich nur mit dem Krieg in Afghanistan und dem gestiegenen Verbrauch von Munition, denn die Kämpfe in Libyen fallen ja in das Jahr 2011, so dass die in diesem Kontext getätigten Geschäfte von der Öffentlichkeit also erst in einem Jahr nachvollzogen werden können, wenn sich der Staub ein wenig gelegt hat.

Es wurden jedoch nicht nur die europäischen und transatlantischen Aliierten im Kampf gegen die Taliban unterstützt, Pakistan war 2010 ebenfalls einer der wichtigsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie (Rang 12 der Hauptkunden-Liste). Exportiert wurde alles, was das Land für den Kampf an seiner Westgrenze benötigt, also Bomben und Raketen (Ausfuhrliste Position A0004) im Wert von rund 47,6 Millionen Euro, Kommunikationsausrüstung (Ausfuhrliste Position A0011) im Wert von knapp 30 Millionen Euro und Technik zur Luftraumüberwachung im Wert von knapp 10 Millionen Euro.

Damit durch diese Geschäfte das labile Rüstungs-Gleichgewicht zwischen Indien und Pakistan nicht gestört wird, wurden gleichzeitig auch größere Exporte nach Indien genehmigt bzw. noch etwas mehr als nach Pakistan, so dass das Land sogar auf Rang 11 der wichtigsten Bestimmungsländer für erteilte Einzelgenehmigungen gelangte.

Im Fall von Indien ist nun insbesondere hervorzuheben, dass eine Genehmigung erteilt wurde, die die Lieferung von „Herstellungsausrüstung und Wartungsausrüstung für […] Handfeuerwaffenteile“ erlaubt hat. Natürlich ist vollkommen unklar, was damit konkret gemeint ist. Bemerkenswert ist diese Formulierung dennoch, wenn man in Rechnung stellt, dass in exakt demselben Rüstungsexportbericht erklärt wird (vgl. Seite 12), dass „bei der Ausfuhr von Technologie und Herstellungsausrüstung […] grundsätzlich keine Genehmigungen im Zusammenhang mit der Eröffnung neuer Herstellungslinien für Kleinwaffen und Munition in Drittländern erteilt“ werden.

Daraus kann man also nur die Schlussfolgerung ziehen, dass nicht alles, was wie eine Waffenfabrik aussieht, auch eine Waffenfabrik ist. Das macht aber ja nichts, so lange die Verantwortlichen im Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und im Bundessicherheitsrat nur den Überblick bewahren.

Und immerhin: Nach Pakistan wurden entsprechende Exporte nicht genehmigt. Oder anders ausgedrückt, in Pakistan bestand zwar Interesse am Erwerb von „Technologie und Herstellungsausrüstung“ (Ausfuhrliste Position A0018), der entsprechende Export im Gesamtvolumen von 19.910 Euro wurde jedoch untersagt.

Abgesehen von diesem Konfliktfeld hat Deutschland auch 2010 wieder den Export von Kleinwaffen in alle Welt genehmigt. Besonders ins Auge fällt dabei z.B. die Lieferung von 225 Maschinenpistolen, inklusive 300.000 Schuss Munition (auf 400.000 Einwohner) nach Brunei. Zur Erinnerung, das ist jenes kleine Sultanat auf der indonesischen Insel Borneo, in dem bis heute (und seit 1962) der Ausnahmezustand gilt. Ein Parlament existiert nicht, dafür kritisiert Amnesty International immer wieder die Art und Weise, wie die Scharia dort ausgeübt wird.

Eine ganz ähnliche Menschenrechtssituation scheint im Königreich Bhutan vorzuliegen und dementsprechend gab es auch keine Bedenken von Seiten der Bundesregierung, den Export von Gewehren und Maschinenpistolen (und 20.000 Schuss Munition) dorthin zu genehmigen.

Über neue Maschinenpistolen aus Deutschland durfte sich außerdem die chronisch korrupte Polizei des Kosovo freuen. Der Export von 547 Gewehren, 240 Maschinenpistolen und 30.300 Schuss Munition wurde genehmigt; das bereits erwähnte Kriterium 7 des EU-Verhaltenskodex fand keine Berücksichtigung. Man darf gespannt sein, wo diese Waffen demnächst auftauchen werden. – In San Marino vielleicht?

Die Bereitschaft zur Genehmigung des Exports von Kleinwaffen in die Länder des Nahen und Mittleren Ostens bestand auch 2010 unverändert. Maschinenpistolen, Maschinengewehre und entsprechende Munition wurden nach Ägypten, Bahrain, Irak, Israel, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Oman, Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate exportiert.

Es ist Zeit für einen radikalen Politikwechsel.

Weiterführend:

Als Reaktion auf die Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts hat auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) am 12.12.2011 ihre Analyse des von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Materials vorgestellt. Der vollständige Bericht ist auf der Website der GKKE abrufbar.

Besonders hingewiesen sei auch auf die Erklärung „Geheime Kriegsgeschäfte auf Rekordniveau“, welche die IPPNW bereits am 8.12.2011 abgegeben hat.

Das „Marking and Tracing von Kleinwaffen muss verbessert werden!

„Small arms enter the illicit realm mainly through the diversion of legal stockpiles.“ Oder mit anderen Worten: Auf den Schwarzmarkt gelangen Kleinwaffen hauptsächlich durch die Diversion aus legalen Beständen. Diese Erkenntnis ist im Yearbook 2002 des Small Arms Survey nachzulesen. Und auch als die These noch unpubliziert war, ist ihre Grundaussage eigentlich unbestritten gewesen, denn kaum jemand wird behaupten, dass weltweit eine illegale Produktion von Kleinwaffen in nennenswertem Umfang stattfände. Wenn also irgendwo auf der Welt Kleinwaffen illegal gehandelt werden, dann müssen diese Waffen irgendwann und irgendwo produziert worden sein. Legal.

Dies gilt natürlich auch für den „Fall“ der Pistole vom Typ CZ 83, der seit kurzem in der Tagespresse diskutiert wird, weil ein Exemplar dieser Waffe von den Terroristen der „NSU“ für ihre Morde verwendet wurde.

Die Waffe stellt eine Modellvariante des Waffen-Typs CZ 82 dar, der Anfang der 1980er Jahre von der Firma Česká zbrojovka entwickelt wurde. Bis heute wird diese Waffe in der tschechischen und der slowakischen Armee verwendet. Ebenfalls in den 1980er Jahren wurde die besagte Modellvariante CZ 83 entwickelt, die sich vor allem dadurch von ihrem Grundmodell unterscheidet, dass sie in einer Vielzahl unterschiedlicher Kaliber erhältlich ist. Neben dem Grundkaliber 9x18mm Makarovsind auch die „westlichen“ Kaliber 7,65 Browning (.32 ACP) und 9mm Browning kurz (.380 ACP) erhältlich. Adaptiert wurde die Waffe auf diese Kaliber, um sie leichter ins westliche Ausland exportieren zu können und der damaligen tschechoslowakischen Regierung eine Deviseneinnahme-Quelle zu erschließen. Die Strategie war erfolgreich und ist es bis heute. Auch nach 1989 und nach der Gründung Tschechiens konnte sich Česká zbrojovka auf dem internationalen Markt behaupten. Nach Untersuchungen des Small Arms Survey gehört Tschechien mit einem Weltmarktanteil von immerhin rund 5% zu den weltweit wichtigsten Produktions- und Exportnationen von Pistolen und Revolvern. Und der Trend zeigt in eine deutliche Richtung: Im Zeitraum von 2000 – 2006 stiegen die Verkäufe um 61%. (Zum Vergleich: Deutsche Unternehmen haben einen Marktanteil von rund 20% und konnten ihre Exporte im gleichen Untersuchungszeitraum um 112% steigern.) Mit anderen Worten: Hätten die Terroristen sich nicht eine Sonderanfertigung der Waffe angeschafft, sondern ein „normales“ Standardmodell ohne die Möglichkeit, einen Schalldämpfer zu montieren, dann wäre es nahezu unmöglich gewesen, den Verkaufsweg der Waffe zu rekonstruieren, da es schlicht und ergreifend zu viele Exemplare dieses Modells gibt. Und auch unter diesen vereinfachten Umständen gelang es bisher nicht, nachzuvollziehen, wie und wann die Pistole in die Illegalität verschwand. Bekannt ist, wie der Tagesanzeiger berichtet, dass die Waffe zunächst in der Schweiz in den freien Handel gelangte. Der weitere Weg jedoch ist völlig unbekannt.

Dies zeigt vor allem auch, dass das derzeitige System, wie Waffen markiert und ihr Handel dokumentiert wird, vollkommen ungenügend ist. Wenn wirklich einmal die Notwendigkeit besteht, den Weg einer Waffe nachzuvollziehen, dann stellt sich sehr schnell heraus, dass die derzeit angewendeten Methoden diese Rekonstruktion nicht erlauben. Dies gilt aktuell im Fall der CZ 83, dies gilt aber auch für die Schnellfeuergewehre vom Typ G36, die in Georgien und in Libyen aufgetaucht sind. – Und niemand weiß, wie sie dorthin gelangt sind.

Die Einrichtung eines nationalen, zentralen Waffenregisters wird von der EU seit Jahren gefordert (vgl. Richtlinie 2008/51/EG). Wenn eine entsprechende Einrichtung in und für Deutschland nun Anfang Dezember vom Bundeskabinett endlich auf den Weg gebracht wurde, so kann dies nur als ein lange überfälliger, erster Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden.

Heckler & Koch: Großauftrag aus Indien wirft Fragen auf

Georgien, Mexiko, Libyen – und jetzt Indien? Einem Bericht des Spiegel zufolge gibt es Hinweise, dass ein Export von Maschinenpistolen des Typs MP5 an das indische Innenministerium nur zustande gekommen sei, weil dem Bundessicherheitsrat eine unzutreffende Endverbleibserklärung vorgelegt worden sei. Ob die Endverbleibserklärung wirklich unzutreffend ist und wenn ja, ob Heckler & Koch davon wusste, ist derzeit noch vollkommen ungewiss. Das einzige, was derzeit außer Frage steht ist, dass die Größenordnung des Auftrags durchaus beachtlich ist: Nachdem im Jahr 2010 bereits der Export von 1608 Maschinenpistolen genehmigt worden war, soll das im Juni 2011 abgeschlossene Geschäft das zehnfache Volumen besitzen. Gerüchte kursieren, wonach der Wert des abgeschlossenen Vertrags 25 Millionen Euro umfassen soll bzw. ein Äquivalent von 17.000 Waffen.

Der Hintergrund des Geschäftes ist klar: Indien ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands und Europas; im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist Indien in den letzten Jahren zu einem wichtigen Partner der NATO geworden; gleichzeitig trat der Subkontinent immer wieder als Interessent kostspieliger Rüstungsgüter wie etwa dem Eurofighter auf. Und die Terroranschläge von Mumbai in den Jahren 2008 und 2010 haben deutlich gemacht, dass der Konflikt zwischen Pakistan und Indien keineswegs geklärt ist – auch wenn man in den letzten Jahren weniger davon gehört hat –, sondern sich lediglich in den Bereich des weltweiten Kriegs gegen den Terror verlagert hat.

An diesem Punkt kommt nun Heckler & Koch ins Spiel, denn natürlich sind Kleinwaffen ein probates Mittel, mit dem potentielle Partner relativ kostengünstig unterstützt bzw. aufgerüstet werden können. Hinzu kommt, dass bereits unmittelbar nach den Anschlägen im Jahr 2008 die indischen Sicherheitskräfte heftig gegen die ihnen zur Verfügung gestellte Ausrüstung polemisierten. Sicherlich spielte dabei das Bemühen eine Rolle, das eigene Versagen zu verschleiern. Das Klagen scheint aber Erfolg gehabt zu haben, wenn das Innenministerium nun den Erwerb von 17.000 modernen Waffen beschlossen haben sollte.

Dies alles in Rechnung gestellt, stellt sich natürlich die Frage, ob es eine weise Entscheidung des Bundessicherheitsrates gewesen ist, den Verkauf der Waffen zu genehmigen. Indien ist ein großes Land. Es gibt dort viele Konflikte. Und viele werden gewalttätig ausgetragen. Gemäß den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen soll bei Genehmigungen berücksichtigt werden, ob die „nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes durch unverhältnismäßige Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt wird“ (Kriterium III,6) bzw. ob „Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden“ (Kriterium III,5). Beides dürfte im Fall Indiens nicht ganz klar zu beantworten sein. Und da spielt die Frage nach möglichen Menschenrechtsverletzungen durch indische Polizeibeamte bzw. die potentielle Nichteinhaltung von Endverbleibserklärungen noch gar keine Rolle.

HK unter Bestechungsverdacht: Staatstragende Empörung hilft nicht weiter

Ein Kommentar von André Maertens

Wer eine Armee hat, braucht Waffen und am besten Waffen aus dem eigenen Land. Wer aber eine Waffenindustrie im Land hat, muss regelmäßig bei ihr kaufen oder ihr Exporte erlauben, sonst gibt es sie nicht lange. Soweit die Binsenweisheit, soweit die Realität, auch in Deutschland.

Das Problem ist, dass es viele Waffenfirmen weltweit gibt, also muss man die hiesigen Firmen unterstützen. Und wenn man das nicht gern macht, dann gibt es ja auch noch das so genannte politische Geschäft, sprich Beziehungen, gegenseitige Gefallen oder Korruption, also Bestechung. Dass dieses System für die meisten Waffenfirmen, beispielsweise in Baden-Württemberg, seit Jahrzehnten gut läuft, ist keine Überraschung und nicht erst seit Volker Kauder und Konsorten so.

In einem sehenswerten SWR-Bericht von Martin Klein mit dem Titel „Waffen gehen immer“ wird die wichtige und richtige Frage gestellt, wie es sein kann, dass immer wieder Waffen aus Deutschland in Krisen- und Kriegsgebieten auftauchen. Die Antwort sollte aber eigentlich keine andere sein als diese: Wer eine Armee hat, …

Wer also Rüstungsexporte beenden will, muss sich überlegen, was er fordert. Und hier lautet die ethisch einzig richtige Antwort: Nur wer keine Armee hat, muss keine katastrophalen Folgen von Rüstungsexporten verantworten. (Ja, die Polizei. Ja, die Sportschützen. – Aber ist das der Punkt? Im Vergleich zu so vielen hunderttausend Export-Opfern und vom Grundgesetz eigentlich verbotenen Angriffskriegen?)

Ähnlich wie Martin Klein berichten Achim Reinhardt und Thomas Reutter von Report Mainzunter der Überschrift „Waffengeschäfte für Parteispenden? Wie Heckler & Koch politische Landschaftspflege betreibt“ – ebenso sehenswert. Es geht um die vermutete Bestechung von Amtsträgern und Parteimitgliedern. Das muss natürlich aufgeklärt werden, aber gleichzeitig muss, gerade im Fall Heckler & Koch, darauf hingewiesen werden, dass solche Vorgänge in der Vergangenheit schon wiederholt dagewesen sind – nachzulesen z. B. in den Büchern von Jürgen Grässlin. Letztlich sind dies alles aber Vorgänge zwischen Gruppen, die sich über Rüstungslieferungen einig sind. Die legitim erscheinenden „legalen“ Rüstungsexporte, also die Masse der Verkäufe, muss in die Kritik kommen, nicht nur die wenigen Skandalfälle.

Besonders lächerlich im Interview: Der Grüne Hans-Christian Ströbele (zur Erinnerung: Steigerung der Rüstungsexporte unter Rot-Grün!) ist empört und sieht die Firma Heckler & Koch jetzt „bemakelt“. Jetzt, nicht vorher, später dann auch nicht mehr. Und legale Rüstungsexporte wären ja „nicht gegen das Gesetz“. Tatsache ist aber, dass der Verbleib von Waffen nach dem Export unkontrollierbar ist. Da bereiten sich Leute schon wieder auf eine staatstragende Rolle ab 2013 vor, oder? Ebenso Barbara Hendricks von der SPD (auch hier zur Erinnerung: Steigerung der Rüstungsexporte unter Rot-Grün!), die zurzeit keine Spenden von dieser Waffenfirma annehmen würde. Es sei „politisch und moralisch nicht in Ordnung“. Früher aber gern, später auch? Und von anderen Waffenfirmen sowieso? Auch hier will jemand keine zukünftigen Partner in der Rüstungsindustrie verärgern. Hilfreich im Kampf gegen den Export von Waffen und anderem Kriegsmaterial sind solche Äußerungen ganz und gar nicht. Bezeichnend sind sie schon.

Nur ein Fall von Misswirtschaft? Sicherheit deutscher Munitionsdepots gefährdet?

Der Bundesrechnungshof moniert in seinen „Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ für das Jahr 2011, dass die Bundeswehr Kleinwaffen-Munition im Wert von 46 Millionen Euro „verrotten“ ließ. Gewiss stellt dies eine unerhörte, da unnötige Verschwendung von Steuergeldern dar. Gleichzeitig stellen sich jedoch auch noch eine ganze Reihe weiterer Fragen. Beispielsweise bemüht sich Deutschland seit dem Jahr 2005 im Rahmen der UN federführend um die Etablierung weltweiter Standards für die Verwaltung von Munitionsdepots. Ziel ist es hierbei, unterentwickelte Staaten zu unterstützen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, Strukturen und Kriterien zu entwickeln, die die Sicherheit ihrer Munitionsdepots gewährleisten. Der Terminus Sicherheit wird hierbei begrüßenswert weit gefasst, denn angedacht wird in den Hilfestellungen nicht nur der Aspekt Diebstahl, sondern auch der Themenbereich der Lagersicherheit. Natürlich ist es unbefriedigend, gefährlich und destabilisierend, wenn Munition aus Munitionslagern verschwindet und ihren Weg auf den Schwarzmarkt findet. Für die direkten Anwohner spielt die Lagersicherheit in den Munitionsdepots eine fast noch größere Rolle.

Anfang Juni 2011 kam es in Russland zu einem Zwischenfall, in dessen Folge nicht nur ein Depot der russischen Streitkräfte in Flammen stand, sondern auch 30.000 Menschen evakuiert werden mussten. Im Juli 2011 ereignete sich ein ähnlicher Unfall in Turkmenistan. Die genauen Folgen dieser Katastrophe sind bis heute nicht genau bekannt, Gerüchte besagen, dass bis zu 1000 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Und ebenfalls im Juli des Jahres explodierten in Zypern mehrere Container mit Munition, was gleichfalls zu erheblichen Schäden führte. In allen drei genannten Fällen führten wohl hohe Außentemperaturen dazu, dass unsachgemäß gelagerte Munition instabil wurde und explodierte. Wenngleich entsprechende Szenarien in Deutschland in dieser Form eher unwahrscheinlich sind, da die Temperaturen auch im Sommer nicht diese Höhe erreichen, so sollte der Vorfall der verrotteten Munition dennoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden: Nicht nur Hitze, auch Durchrostung bzw. Schäden durch Wasser können dazu führen, dass insbesondere Munitions-Zünder schadhaft werden und bei leichten Erschütterungen eine ungewollte Explosion auslösen.

Wenn der Bundesrechnungshof in seinem Bericht also eine Steuerverschwendung rügt, so ist damit noch längst nicht alles gesagt, was dieser Fall an Fragen aufwirft. In Frage gestellt ist damit nämlich genauso die Kompetenz der Bundeswehr, die Sicherheit der von ihr geführten Munitionsdepots zu gewährleisten und – in Konsequenz daraus – die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung, international an der Definition technischer Standards für die Verwaltung von Munitionsdepots mitwirken zu wollen.

Neue Kampfflugzeuge für die Schweizer Armee?

Die Schweiz wird – wenn es nach dem Willen des Schweizer Bundesrats gehen sollte – 22 neue Kampfflugzeuge vom Typ Saab Gripen beschaffen, um die bisher verwendeten Exemplare vom Typ F5 Tiger schrittweise zu ersetzen. Die Finanzierung des rüstungspolitischen Großprojekts ist noch unklar. In anderen Worten: das Parlament muss die entsprechenden Mittel erst noch freigeben.

Angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation sind diese Mehrausgaben – geplant ist eine Erhöhung des Verteidigungsetats um 13% auf dann 5 Milliarden SFr – wenig populär. Insbesondere da derzeit noch unklar ist, wie die Mittel gewonnen werden bzw. an welchen Stellen Kürzungen stattfinden sollen. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hat in einer Stellungnahme erneut ihren dezidierten Widerstand gegen das Rüstungsprojekt formuliert. Sollte das Parlament die Etaterhöhung billigen, wird die GsoA, so die Ankündigung,eine Volksabstimmung anstreben, um die Pläne endgültig zu stoppen.

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