DAKS-Newsletter März 2011 ist erschienen!

Die zwischen 2004 und 2011 erfolgten Rüstungsexporte von EU-Staaten an Libyen sind auch für den Newsletter genauso ein Thema wie Waffenexporte nach Mexiko, Rüstungsgeschäfte mit den Staaten der Arabischen Halbinsel und die Rüstungsproduktion in EU und USA. Darüber hinaus: ein Grundsatz-Artikel von Dr.Peter Lock über die Möglichkeit von mehr Sicherheit durch technische Neuerungen im Bereich des privaten Kleinwaffen-Besitzes.

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1. Presseerklärung: Deutsche Waffenexporte nach Libyen

Am 4. März gaben die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), die Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL) und das RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) gemeinsam eine Pressemitteilung heraus, in der sie auf die skandalösen Rüstungsexporte nach Libyen aufmerksam machten. In der Amtszeit von Kanzlerin Merkel habe die Bundesregierung die Lieferung von militärischen Geländewagen, Hubschraubern, Kommunikationstechnik und Störsendern genehmigt, so Jürgen Grässlin (DFG-VK, RIB). Wenn die Demokratiebewegung in Tripolis unterdrückt werde und Menschen aus Libyen fliehen müssten, dann treffe die Bundesregierung Mitschuld. Paul Russmann, Sprecher der Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben (ORL), wies darauf hin, dass die Bundesregierung den Genehmigungswert deutscher Rüstungstransfers an Libyen von 2008 auf 2009 auf 53 Millionen Euro verdreizehnfacht habe.

Weiter heißt es in der Erklärung, es seien in diesen Tagen erste Bilddokumente aufgetaucht, die sogar den Einsatz von G36-Gewehren in den Händen der Familie Gaddafi belegen würden. Die Sprecher von DFG-VK, ORL und RIB e.V. sehen die Bundesregierung in der Pflicht, drängende Fragen zum Tatort Libyen sofort zu beantworten: „Hat die Firma Heckler & Koch GmbH eine G36-Ausfuhrgenehmigung für Libyen erhalten? Wenn nein: Auf welchem Weg gelangten die Sturmgewehre in die Hände des Gaddafi-Regimes?“ Eine weitere Forderung: Die Münchener Staatsanwaltschaft hatte Anfang 2011 ein Ermittlungsverfahren wegen Waffenhandels gegen den Gaddafi-Sohn Saif eingestellt, dieses müsse wieder aufgenommen werden.

Diese Pressemitteilung und auch ein Radio-Interview mit Jürgen Grässlin findet sich auf der – neu gestalteten – Internetseite des Rüs­tungsInforma­tions­Büros unter www.rib-ev.de

Für weitere Informationen über Rüstungsexporte siehe: Rüstungsexportberichte

Zum Einsatz des G36 in Libyen: „Saif Gaddafi arming civilian militias” siehe http://www.youtube.com/watch?v=I1psGPM7Upk

2. Handelsblatt: Milan-Raketen von EADS an Libyen geliefert

Wie das Handelsblatt am 16.3.2011 berichtete, seien noch im Jahr 2009 Raketenwerfer vom Typ Milan an die libyschen Streitkräfte geliefert worden. Die Abschuss-Anlagen, heißt es in dem Artikel von Fidelius Schmid, seien im bayerischen Schrobenhausen von der zum EADS-Konzern gehörenden Firma LFK produziert worden. Der Deal habe, laut SIPRI-Angaben, einen Gesamtwert von 168 Millionen Euro gehabt. Die dazu passenden Raketen seien von einer anderen EADS-Tochter, der französischen MBDA-Systems, gebaut worden. Ein MBDA-Sprecher gab an, dass seine Firma einen letzten Teil der geplanten Lieferungen allerdings nach Inkrafttreten des neuen Waffenembargos gegen Libyen vom 28. Februar diesen Jahres gestoppt habe. Der Artikel erschien zuerst unter der Überschrift „Deutschlands dunkles Geheimnis. Militärisch intervenieren will Angela Merkel in Libyen nicht – Waffen hat ihre Regierung an Gaddafi aber vor Beginn des Aufstands munter verkauft“ beim Handelsblatt und dann bei der ZEIT.

3. Report Mainz: Menschenrechtsbeauftragter Löning (FDP) spricht sich für Waffenexportverbot fürMexiko aus
In seiner Sendung vom 2. März 2011 berichtete Report Mainz über eine neue Wende im Skandal um G36-Lieferungen in jene mexikanischen Provinzen, die nach einer Entscheidung der Bundesregierung nicht mit diesen Waffen hätten beliefert werden dürfen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hat sich für einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte nach Mexiko ausgesprochen. Die dortige Menschenrechtslage habe sich in den letzten zwei Jahren weiter verschlechtert, so der FDP-Politiker.

Interessant auch diese neue Information in dem Bericht: Der Direktor der staatlichen Rüstungsbeschaffungsbehörde in Mexiko, Raúl Manzano Vélez, bestreitet, dass die mexikanischen Behörden über Bedenken der deutschen Bundesregierung bezüglich der Waffenlieferungen von Heckler & Koch informiert wurden. In all den Jahren seien den mexikanischen Stellen weder seitens der Firma noch seitens der Regierung oder der deutschen Botschaft in Mexiko etwas über Auflagen mitgeteilt worden. Das mexikanische Verteidigungsministerium, so Manzano Vélez im Interview weiter, habe erst aus den Medien von Auflagen erfahren. Das Material [also die G36-Gewehre] sei an viele Staaten der Republik geschickt worden, auch an die Staaten, die von den Medien erwähnt worden seien.

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte auf Anfrage von Report Mainz noch einmal bestätigt, dass Rüstungsexporte in die vier mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Jalisco, Guerrero und Chihuahua nicht genehmigt waren. Markus Löning betont in dem Bericht abschließend die Verantwortung des Exporteurs für die Einhaltung der Auflagen gegenüber der Bundesregierung und fügt hinzu: „Wer dagegen verstößt, muss mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen.“

Der REPORT-Beitrag von Achim Reinhardt und Thomas Reutter kann auf der Internetseite des Magazins angesehen werden, hier finden sich auch weitere Dokumente zum Thema. Demnächst erscheint in der DFG-VK-Zeitschrift Zivilcourage ein Hintergrundartikel von DAKS-Sprecher Jürgen Grässlin mit neuen Rechercheergebnissen zum Skandal des G36-Deals für Mexiko.

4. IANSA: neuer Auftritt im Internet

Das Internationale Netzwerk gegen Kleinwaffen (IANSA), das sich für einen weltweiten Waffenkontrollvertrag einsetzt, hat seit kurzem einen neugestalteten Auftritt im Internet. Hier lassen sich jetzt also wieder aktuelle Informationen finden – zum Beispiel darüber, wie der Verhandlungsprozess zum Waffenkontrollvertrag (Arms Trade Treaty, kurz ATT) verläuft. Am 4. März ist gerade erst eine „Prepcom“, also eine Vorbereitungskonferenz für den ATT, zu Ende gegangen.

5. Im Dienst der Diktaturen deutsche Kleinwaffen-Exporte auf die Arabische Halbinsel

Laut BICC Militarization Index für das Jahr 2009 ist der Nahe und Mittlere Osten die Weltregion mit dem höchsten Militarisierungsgrad. Oder anders ausgedrückt: Auf den ersten 50 Plätzen des Index tauchen alle 18 Länder dieser Region auf. Es sind (geordnet nach Index-Platz):

LandGMI-Rang
Israel1
Syrien3
Jordanien4
Zypern7
Kuwait9
Oman13
Bahrain14
Saudi-Arabien15
Vereinigte Arabische Emirate16
Irak17
Libanon21
Armenien22
Aserbaidschan23
Türkei24
Iran29
Jemen35
Katar41
Georgien47

Nach Einschätzung des BICC ist dieser Zustand erklärbar, aber problematisch: „Dass vier Länder des Nahen und Mittleren Ostens an der Spitze dieser Top 10 stehen, verweist auf die hohe Militarisierung dieser konfliktreichen Region, die zu ihrer weiteren Instabilität beiträgt. […] Die konstant hohe Militarisierung nicht nur Israels, sondern auch anderer Länder der Region kann auf gegenseitige Bedrohungsperzeptionen zurückgeführt werden.“ Und: „Diese Tendenz zur Militarisierung lässt sich für den Nahen und Mittleren Osten bereits seit 1990 nachvollziehen.“

Die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen halten fest, dass eine Lieferung von Kriegswaffen nicht genehmigt wird, in Länder „in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden.“ (vgl. Politische Grundsätze III, 5)

Hinzu kommt, dass sich die Bundesregierung im Rahmen des OSZE-Dokuments über Kleine und Leichte Waffen (FSC.JOUR/314) vom 24. November 2000 verpflichtet hat, zur „Reduzierung und Verhütung der maßlosen und destabilisierenden Anhäufung und unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen beizutragen“.

Es ist eigentlich keine Frage, dass unter diesen Umständen keine Kriegswaffen und insbesondere keine Kleinwaffen in den Nahen und Mittleren Osten exportiert werden dürften, tragen solche Exporte nach Einschätzung des BICC doch zur weiteren Instabilität dieser Region bei. – Genau das aber geschieht seit Jahrzehnten.

Die Länder der Arabischen Halbinsel gehören seit mehreren Jahren zu den wichtigsten Kunden deutscher Rüstungsunternehmen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben seit 1999 einen mehr oder weniger festen Platz in der Top20-Liste der wichtigsten Bestimmungsländer deutscher Rüstungsexporte (siehe Tabelle). Und das, obwohl die Genehmigung von Exportanträgen zum Teil starken Schwankungen unterliegt, wie in den Rüstungsexportberichten immer wieder betont wird.

JahrTabellenplatz“ der VAE
20092
20089
200717
200614
20053
200416
200315
200220
200118
2000
19995

Von besonderer Problematik sind in diesem Zusammenhang die verhältnismäßig hohen Exporte von Kleinwaffen in diese Region. Insbesondere da zu beachten ist, dass solche Exporte nicht nur auf dem Weg der im jeweiligen Rüstungsexportbericht dokumentierten Einzelgenehmigungen vollzogen werden, sondern auch ein umfangreicher Technologie-Transfer toleriert und unterstützt wird. In diesem Kontext ist etwa der Verkauf des deutschen Kleinwaffen-Herstellers Heckler & Koch Jagd- und Sportwaffen an die staatlich kontrollierte Investoren-Gruppe Caracal mit Sitz in den VAE im Jahr 2006 zu nennen (vgl. DAKS-Newsletter 02/2008). Aber auch die Vergabe einer Lizenz zur Produktion des Schnellfeuergewehrs G36 an Saudi-Arabien und die im Kontext dieser Vergabe erfolgte Lieferung von Produktionsmaschinen zur Herstellung von Waffen und entsprechender Munition im Jahr 2008.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Wert (in Euro) der von 2005 bis 2009 erfolgten Kleinwaffen-Exporte (also die unter Nummer A0001 gelisteten Gegenstände der Ausfuhrliste des Außenwirtschaftsgesetzes) und entsprechender Munition aus Deutschland auf die Arabische Halbinsel.

Jahr / LandBahrainJemenKatarKuwaitOmanSaudi- ArabienVereinigte Arabische Emirate
2009380.000487.1101.385.75522.2666.786.852172.350
2008???102.100548.075596.275??????
20079.9201.583307.458752.65211.138.389605.420
2006???14.754395.74247.0009.675.371889.498
2005???21.44619.7954.5955.941.007291.213

Der Iran erhielt 1967 eine Lizenz zur Produktion des Schnellfeuergewehrs G3. 1979 wurde das pro-westliche Schah-Regime gestürzt, die Waffen-Produktion ging jedoch weiter. Die derzeitigen Protestbewegungen in der ganzen arabischen Welt lassen wieder pro-westlich orientierte Regime wanken und die Situation in Libyen zeigt, dass diese Volksbewegungen dort besonders blutig ausgetragen werden, wo die entsprechenden Machthaber über modernes, westliches Militärmaterial verfügen, mit dessen Hilfe Aufstände niedergeschlagen werden können.

Was aber wird geschehen, wenn die Proteste auch die Arabische Halbinsel und insbesondere Saudi-Arabien erfassen sollten? – Nicht nur, dass ein Bürgerkrieg in diesem Land noch blutiger zu werden droht als derjenige in Libyen, als Ergebnis eines zeitweiligen Machtvakuums drohen auch große Bestände der modernsten westlichen Kleinwaffen-Modelle staatlicher Kontrolle verloren zu gehen. Wohin sie in Zukunft gelangen und gegen wen sie eingesetzt werden könnten, möchte man sich gar nicht vorstellen.

6. Kontraste: Deutsche Waffen im Einsatz gegen Demonstranten in Saudi-Arabien

Am 17.3. berichtete das ARD-Politikmagazin Kontraste unter der Überschrift „Waffen gegen Öl – Deutsche Gewehre sichern Macht der Despoten“ über deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Nachdem jahrelang Waffen geliefert worden seien, stehe jetzt zu befürchten, dass die aufkeimende Oppositionsbewegung mit deutschen Waffen niedergemacht werde, so heißt es in dem Bericht von Susanne Katharina Opalka, Sascha Adamek und Detlef Schwarzer. Interviewt wurde für die Reportage u. a. der Bundeswirtschaftsminister Brüderle, der die ja tatsächlich stattfindende Gewalt beschönigt, indem er auf die Frage nach einem Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien auf eine kommende Beratung der zuständigen Ministerien verweist. Die im Bundestag von Außenminister Westerwelle vorgetragene Solidarität mit den Demonstranten wird – angesichts des Einsatzes deutscher Waffen gegen eben diese Menschen – von Kontraste so kommentiert: „Das klingt fast schon zynisch.“ Mathias John und Jürgen Grässlin verweisen im Interview auf die jahrelangen Menschenrechtsbrüche und auf die deutsche Firma, die mit ihren Kleinwaffenexporten viele der Angriffe und Morde erst möglich macht: Heckler & Koch. Saudi-arabische „Sicherheitskräfte“ sind mit importierten HK-Maschinenpistolen des Typs MP5 ausgestattet, das ebenfalls von HK entwickelte G36 wird sogar im Land selbst hergestellt. Zum Einsatz kommen diese Waffen dann in diesen Tagen wahrscheinlich auch in den Nachbarländern Bahrain oder Jemen. Der Beitrag findet sich als Video auf der Internetseite von Kontraste.

7. Friedenspreis-Verleihung in Göttingen

VertreterInnen der beiden ökumenischen Organisationen GKKE und ORL haben am 5. März in einer feierlichen Veranstaltung in der Georg-August-Universität den Göttinger Friedenspreis 2011 entgegen genommen. Die Preisvergabe war sehr gut besucht, zugegen war neben Mitgliedern der Stiftung Dr. Roland Röhl auch die Universitätspräsidentin Prof. Ulrike Beisiegel. Die Laudatio hielt der international tätige Journalist Andreas Zumach. Er betonte den Skandal, dass Deutschland zu den weltweit führenden Rüstungsexporteuren weltweit gehöre. Für „Ohne Rüstung Leben e.V.“ (ORL) hielt Paul Russmann die Dankesrede, für die „Fachgruppe Rüstungsexporte“ der „Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) tat dies der Vorsitzende der Fachgruppe, Dr. Bernhard Moltmann. Einen ausführlichen Bericht, auch mit Informationen zum Stifter des Preises sowie zu den diesjährigen Preisträgern findet sich beim Göttinger Stadtinfo und bei der GKKE.

Das Bonner Konversionszentrum (BICC), das seit Jahren in der Fachgruppe Rüstungsexporte der GKKE mitarbeitet, weist in seiner Pressemitteilung zur Preisvergabe darauf hin, dass Deutschland im Fall Libyen nicht nur Liefergenehmigungen für Rüstungsgüter erteilt habe, so der Direktor des BICC, Peter J. Croll, sondern auch noch mit einer Hermes-Bürgschaft in Höhe von acht Millionen Euro gerade gestanden habe.

8. SIPRI veröffentlicht Daten zur Rüstungsproduktion

Das „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) hat am 21. Februar sein neuestes „Ranking“ veröffentlicht und bestimmt darin die 100 umsatzstärksten Rüstungsunternehmen der Welt. Die veröffentlichten Zahlen sind so analytisch-abstrakt wie jede beliebige andere Tabelle auch. Und unvollständig ist das zu Grunde gelegte Datenmaterial sowieso, wie die SIPRI-Programmverantwortliche Susan Jackson in vorauseilender Selbstkritik eingeräumt hat. Denn „es ist bekannt, dass verschiedene chinesische Rüstungsproduzenten eigentlich groß genug sind, um in der Sipri-Liste geführt zu werden. Aber unzureichende und nicht vergleichbare Daten machen uns das nicht möglich.“ – All das ist jedoch unerheblich, da die vorgelegten Zahlen auch in ihrer Relativität die globalen Ungleichzeitigkeiten und Brüche dokumentieren, die zwischen den Weltregionen bestehen.

Von den weltweit tätigen Rüstungskonzernen sind nur zweiundzwanzig nicht in Westeuropa oder den USA beheimatet, alle anderen haben ihren Stammsitz in den westlichen Ländern, in den Vereinigten Staaten sind es sogar 45 Firmen.

Die 33 europäischen Firmen verteilen sich auf 7 EU-Staaten (Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Schweden), sowie Norwegen und die Schweiz.

Der Umsatz den die 100 größten Rüstungsunternehmen mit Waffenverkäufen erzielten belief sich im Jahr 2009 auf rund 295 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Wachstum von rund 11,3 Milliarden Euro, bzw. rund 8%. Auf die 78 Firmen aus den USA und Westeuropa entfielen dabei rund 280 Milliarden Euro bzw. rund 95% des gesamten Weltumsatzes (China nicht eingeschlossen).

Erneut nach Berechnungen von SIPRI beliefen sich die Militärausgaben der USA im gleichen Zeitraum (2009) auf rund 510 Milliarden Euro und diejenigen (West-) Europas auf etwa 220 Milliarden Euro.

Angesichts dieser Realitäten besteht kein Zweifel, dass auch 20 Jahre nach Beendigung der Blockkonfrontation der „Kalte Krieg“ noch längst nicht vorbei ist. In der heutigen Situation kann das Wettrüsten jedoch nicht, wie zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation gewonnen werden, da der Gegner des „Westens“ der Westen selbst ist.

Die Militärausgaben in den USA, aber genauso auch in Europa sind nur finanzierbar durch gleichzeitig stattfindende soziale Einschnitte. Während in Deutschland heftig über eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze diskutiert wird, wird an der Beschaffung des Militär-Transportflugzeugs A400M konsequent festgehalten. Der Entwicklungshilfe-Etat hat im Jahr 2010 nicht sein gegenüber OSZE und EU versprochenes Volumen von 0,51% des BIP erreicht (aktueller Stand 0,4% BIP), aber es wird angekündigt, dass Entwicklungshilfe künftig auch einen Beitrag zur Wirtschaftsförderung leisten soll. Der Verteidigungsetat (1,3% BIP) dagegen soll, wie nun diskutiert wird, langsam als bisher angekündigt reduziert werden. Und die Bundeswehr insgesamt wird seit Jahren weltweit eingesetzt. Die Notwendigkeit dieser Einsätze ist schwer zu erklären und sie kosten Millionen.

Die industrielle Basis, mit der die immer komplexeren Waffensysteme hergestellt werden, produziert und vertreibt ihre Produkte zwar weltweit, die Besitz- und Kontrollstrukturen sind dabei jedoch äußerst ungleich verteilt. Die Entscheidung wer wann welche Waffen kaufen und einsetzen darf, wird letztlich in sehr wenigen und immer den gleichen Ländern getroffen. In anderen Worten – wenn es im Nahen oder Mittleren Osten, in Afrika, Lateinamerika oder Asien zu Konflikten kommt, dann darf man fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass beide Konfliktparteien von westlichen Industriestaaten mit Waffen beliefert wurden und werden.

Wovor haben wir eigentlich solche Angst?

9. Weiterentwicklung waffentechnischer Normen zur Erhöhung der Sicherheit

von Peter Lock (Sozialwissenschaftler mit Schwerpunkt Friedensforschung)

Die Geschichte des Automobils ist zugleich auch die Geschichte seiner Versicherheitlichung durch fortlaufende Weitentwicklung bindender technischer Normen und Verbesserungen der Verkehrswege. Häufig mussten Neuerungen zur Verbesserung der Sicherheit vom Gesetzgeber gegen den Widerstand sowohl der Automobilindustrie als auch der Nutzer durchgesetzt werden. Beispiele hierfür sind die Einführung der Gurtpflicht einerseits und des Katalysators andererseits. Sie haben den Prozess der zunehmenden Versicherheitlichung des Automobils vorangetrieben. Im Vergleich zum Automobil wurden die Möglichkeiten der Versicherheitlichung von Schusswaffen bislang vom Gesetzgeber sträflich vernachlässigt. Ursächlich hierfür dürften die Widerstände der Waffenindustrie und Waffenenthusiasten sein. Ferner ist die Schadenssumme bei Schusswaffen gegenüber dem Straßenverkehr volkswirtschaftlich von geringerer Tragweite. Dennoch sollte der Gesetzgeber auch bei Schusswaffen aktiv werden und die mit verhältnismäßigen Mitteln mögliche Versicherheitlichung durch gesetzliche Normenvorgaben vorantreiben.

Der größte Sicherheitsgewinn würde mit hoher Wahrscheinlichkeit durch gesetzliche Pflicht zur biometrischen Sicherung von Schusswaffen erreicht werden. Für Polizisten würde zum Beispiel das Risiko entfallen, bei der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben, Gefahr zu laufen, die Kontrolle über ihre Schusswaffe zu verlieren und mit ihr dann bedroht zu werden.

Einerseits werden biometrische Sicherungen in Fachzeitschriften von verschiedenen Herstellern angeboten, andererseits behaupten Politiker, dass frühestens in zehn Jahren mit entsprechenden Technologien zu rechnen sei. Angesichts der enormen Minderung des Risikos missbräuchlicher Verwendung von Schusswaffen, wenn nur der legale Besitzer mittels seines biometrischen Merkmals mit seiner Waffe schießen kann, muss Druck auf die Politik dahingehend ausgeübt werden, dass biometrische Sicherungen für Schusswaffen, gegebenenfalls mit staatlichen Forschungsmitteln, schnellstmöglich zu einem selbstverständlichen integralen Bestandteil von Schusswaffen entwickelt und gesetzlich vorgeschrieben werden. Für einen massiven Einsatz von Forschungsmitteln spricht die herausragende Stellung der deutschen Kleinwaffenhersteller auf den Märkten der Welt, vor allem für Sport- und Jagdwaffen. Sie könnten bei einem Technologievorsprung auf dem Gebiet der Waffensicherung ihre Marktposition halten bzw. ausbauen. Leider verhalten sich die Waffenhersteller, wie es die deutsche Automobilindustrie wiederholt in der Vergangenheit zum eigenen Nachteil getan hat, zuletzt bei Rußfiltern für Dieselfahrzeuge: Sie versuchen, derartige Innovationen zu blockieren.

Zu langfristigen Strategien der Einhegung der Risiken des Missbrauchs von Schusswaffen gehören Überlegungen mit dem Ziel, durch obligatorische Normierung der Kaliber, Schusswaffen für hoheitliche Aufgaben (Polizei und Militär) von Sport- und Jagdwaffen eindeutig zu trennen. Dies hätte den Vorteil, dass die Munitionslogistik klar getrennt würde, und es würde nach erfolgter vollständiger Umstellung kriminalistische Ermittlungen erheblich erleichtern. Eine Gesetzgebung zur Trennung der Kaliber zwischen hoheitlichen Waffen und privaten Waffen erfordert allerdings sehr lange Übergangsfristen und Koordination zumindest auf europäischer Ebene.

Weiterhin gibt es viele Gründe, großkalibrige Handfeuerwaffen und besonders durchschlagsfähige Munition als Kriegswaffen zu klassifizieren und sie damit aus dem Sortiment der Waffen zu nehmen, die auf der Grundlage einer Waffenbesitzkarte erworben werden können. Für einen solchen Schritt spricht, dass er ein bedeutender Beitrag zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit und der Sicherheit staatlicher Hoheitsträger, vor allem der Polizei, wäre. Er würde wirklich legitime Anliegen des Schießsportes nicht beeinträchtigen, weil diese Waffen weder bei olympischen Spielen noch bei sonstigen bedeutenden sportlichen Wettbewerben Verwendung finden.

Dieser und weitere Texte des Verfassers zum Thema Kleinwaffenkontrolle finden sich unter www.Peter-Lock.de; Kritik und Anregungen erreichen ihn unter Peter.Lock@t-online.de

10. Schweiz: Initiative „Schutz vor Waffengewalt“ abgelehnt

In der Schweiz wurde die Initiative „Schutz vor Waffengewalt“ bei der Abstimmung am 13. Februar mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Die OrganisatorInnen sehen dies vor allem als Ergebnis einer finanzstarken Kampagne der Waffen-Befürworter. Ein sehr breites Bündnis von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen hatte die Annahme der Initiative unterstützt. Und eben dieses große Engagement, so heißt es in einem Fazit der GsoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee), lasse für die Zukunft hoffen. Derweil bleibt die Gefahr bestehen, dass die in den Haushalten vorhandenen Armeewaffen Suizide und häusliche Gewalt ermöglichen.

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